Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

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Bettina

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Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Bettina am 09.08.2009 22:40

Ist innerhalb einer Partnerschaft oder innerhalb einer Freundschaft Ehrlichkeit ohne Grenzen möglich?

Der Mensch oder die Menschen, mit dem / mit denen ich mein Leben teilen möchte, kann ich mich bei denen vollständig so zeigen, wie ich bin? Ich meine: alle meine Bedürfnisse, alle meine Wünsche, alles was mich gerade beschäftigt, alle meine Freuden, alle meine Ängste – kann ich wenigstens bei einem Menschen, der mir wichtig ist so rigeros ehrlich sein?
Alles sagen, über alles reden können, für den Anderen / die Andere völlig transparent sein. Dazu gehört unbedingt auch, nichts zu unterschlagen (im Sinne von: das erzähle ich lieber nicht, weil ihm / ihr mein Verhalten in der Situation nicht gefallen würde).
Also: zu allem stehen, was ich tue, dies auch von Partner(in) oder Freund(in) erwarten – kann das zu einer idealen Verbindung führen oder in die Katastrophe? Kann dadurch optimale gegenseitige Akzeptanz, größtmögliche Toleranz und gegenseitiges Vertrauen gedeihen?

Was haltet Ihr diesbezüglich für ideal, für erstrebenswert? Was sind Eure Wünsche, was Eure Erfahrungen?

Mein Ideal ist es, den Menschen, mit dem ich lebe oder mit dem ich eng befreundet bin in keiner Weise einzuengen, auch nicht eingeengt zu werden, mir aber auch keine Selbstbeschränkungen aufzuerlegen. Also meine Wünsche und Bedürfnisse äußern und leben zu können und diese Achtung meiner Person, die ich meinem Partner oder meiner Freundin damit abverlange, ihm / ihr selbstverständlich genauso entgegenzubringen.

Wohlgemerkt: es ist ein Ideal und bedeutet nicht, dass ich es auch schaffe, immer danach zu leben!

Schon oft habe ich beobachtet oder berichtet bekommen, dass Menschen, die lange zusammen leben, voreinander Geheimnisse haben. Genau das führt dazu, dass man(n) / frau dann bald nur noch nebeneinander her statt miteinander lebt. Wie viele Male habe ich schon auf der Straße, in der U-Bahn oder sonstwo alte Paare beobachtet, die nur noch aus Gewohnheit nebeneinander her zu traben scheinen, die überhaupt nicht mehr miteinander reden (oder sich sogar in der Öffentlichkeit angiften), die unzufriedene Gesichter haben, von Fröhlichkeit gar nicht zu reden. Also, abschreckende Beispiele finden sich mehr als genug.

Um nicht selbst in ein solches Fahrwasser zu geraten glaube ich, dass es sich lohnt, sich um einen ehrlichen Umgang miteinander immer und immer wieder zu bemühen.

Nocheinmal meine Frage: Wie denkt Ihr darüber?

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Puck

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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Puck am 13.08.2009 22:35

Eine Beziehung/Partnerschaft, die völlig auf Wahrheit aufgebaut ist - das ist ein Ideal. Natürlich ist die Lüge keine Basis für Menschen, weder in der Gesellschaft noch in der Familie oder Freundschaft. Aber...was ist Wahrheit? Ich nehme viele Situationen völlig anders wahr als mein Partner, denke ich. Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit. Das sind so Kleinigkeiten, so wie: "er hat genau gewusst dass, ich das nicht ausstehen kann".
Das ist in diesem Moment meine Wahrheit. Seine sieht anders aus. "Was hat sie nur, es war doch alles in Ordnung". Und schon wird die Wahrheit des Anderen als Lüge erlebt.
Oder gerade wenn wir emotional befangen sind, neigen wir doch schon irgendwie zu kleinen charmanten Unwahrheiten. Oder zu "Vermeidungslügen", wenn auch nur um nicht zu verletzen. Und darin liegt auch eine gewisse Wahrheit, eine die der Andere kennt. Und akzeptiert als ..als das was es ist.
Kleine Klippen des Alltags "ummogelt" man hin und wieder gerne, ohne dass es als Betrug gemeint ist. Ich glaube, dass es kaum möglich ist, zu jeder Zeit und in jeder Hinsicht gänzlich wahrhaftig zu sein, was eine allgemeingültige Realität betrifft. Schlimm wird es erst dann, wenn in wirklich grundlegenden Dingen keine Ehrlichkeit herrscht.
Es ist noch garnicht so lange her, dass Ehemänner ihren Frauen verheimlichten, wieviel sie verdienten. Heute kaum noch vorstellbar, war das zu diesen Zeiten normal. Wir verlangen mehr, viel mehr von unseren Beziehungen heute. Und wir haben auch recht damit, denn ohne Ehrlichkeit kann es keine funktionierende Gemeinschaft geben. Und so plädiere ich auch dafür, für die Wahrheit. Ich weiss aber auch, sie ist ein Instrument das gut gestimmt werden will. Und das so etwas wie einen Zeitpunkt braucht.

by Puck

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Prignitzer43
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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Prignitzer43 am 14.08.2009 15:34

Bettina hat ihren Beitrag auch in ihr Yasni-Profil gestellt. Dort fand ich jetzt folgenden Kommentar von Irini Al-Sghir; ich halte ihn für derart bemerkenswert, dass ich ihn hier einfüge:

Absolute Ehrlichkeit erfordert ein hohes Mass an Einsatz und Beziehungsarbeit. Denn alte tiefe Verletzungen aus der Vergangenheit die mangelndes Selbstwertgefühl, Eifersucht, Besitzergreifen usw. hervorrufen, müssen somit nochmals angeschaut und geheilt werden. Ebenso wird man mit seinen anerzogenen bezw. kulturell bedingten falschen Moralvorstellungen konfrontiert. Doch gelingt es dem Paar sich diesen Ängsten und Schattenaspekten zu stellen, dann ergibt sich eine Dynamik zwischen den beiden, die zu grossem schöpferischen Potenzial und einer hohen geistigen Entwicklung führen wird.

12.08.2009

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Bettina

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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Bettina am 16.08.2009 15:47

Ja, liebe Irini, ein hohes Maß an Beziehungsarbeit, wie Du es nennst, ist nicht immer einfach aufzubringen und ist auch nie ein für alle Mal erledigt. Beide müssen es wollen und "dranbleiben". Miteinander im Gespräch zu bleiben ist dabei sehr wichtig. Aber trotzdem nicht immer alles gelingt (und da denke ich jetzt nicht nur an Kleinigkeiten, es gab in meiner inzwischen 31 Jahre währenden Beziehung mehrere große Einbrüche!), ich finde, der Einsatz für die Beziehung lohnt. Ich habe dabei so einiges über mich gelernt, denn ich muss mich ja auch immer wieder mir selbst stellen, will ich Konflikte begreifen. Es hat viel Wandel in uns und damit innerhalb der Partnerschaft gegeben in diesem ja doch schon langen Zeitraum. Genau das hat zu immer wieder neuer Lebendigkeit geführt, worüber ich sehr froh bin. Abzustumpfen, den Partner nicht mehr wahrzunehmen, alles für selbstverständlich zu halten, das dürfte der Tod einer Beziehung sein, egal wie lange zwei Menschen dann womöglich trotzdem noch nebeneinander her leben.

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Bettina

64, Weiblich

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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Bettina am 16.08.2009 16:19

Liebe Puck, stimmt, wir verlangen sehr viel von unseren Beziehungen. Da können wir wohl nicht auch noch erwarten, dass das einfach so, ohne Mühe, zu haben ist. Gelegentlich kann das ein sehr schwieriger Balanceakt sein. Ehrlich mir selbst gegenüber und gegenüber meinem Partner zu sein und ihn dann auch noch nie verletzen zu wollen... Solcher Anspruch ist ein Ideal, kann vielleicht überhaupt nicht immer gelingen. Trotzdem möchte ich mich an meinen Idealen orientieren und nicht meine Ansprüche herunterschrauben.
Hier will ich aber nicht verschweigen, dass ich auch schon schlimme Einbrüche hatte, Zeiten, wo ich mir -kurzzeitig!- gewünscht habe, doch lieber ein Leben zu leben, wie das viele andere Leute tun: sich miteinander arrangieren, ohne große Höhen vielleicht, aber auch ohne tiefe Tiefen!
Die unterschiedliche Wahrnehmung zweier Menschen von einundderselben Situation, von der Du schreibst, das ist wohl noch ein anderes Thema. Hier würde ich nicht von Lüge sprechen. Aber klar, auch dadurch entstehen Konflikte.

Die sogenannten kleinen charmanten Unwahrheiten oder "Vermeidungslügen", von denen Du schreibst, sind wohl eher eine böse Falle. Angenommen, ich unterschlage etwas oder verbiege eine Wahrheit ein bisschen, um meinen Partner nicht zu verletzen oder zu verunsichern. Welche Folgen zieht das nach sich? Was kann ich dann vielleicht auch nicht mehr richtig erzählen, weil ich ja einmal mit einer kleinen Lüge angefangen habe? Und welche Verletzungen riskiere ich erst recht, wenn zufällig eine solche Kleinigkeit herauskommt? Kurz: wo fängt das an mit den "Vermeidungslügen", wo hört es auf?

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Puck

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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Puck am 18.08.2009 10:52

Ja, Bettina...auch da stimme ich zu. Aber mit "den kleinen charmanten" meine ich eigentlich so etwas wie kleine Aufpäppelungvorwegnahmen. Auf Deubel komm raus motivieren ist manchmal notwendig.
Allerdings hast Du völlig recht, wenn Du an die unvermeidlichen Folgen einer Unwahrheit denkst...alles was wir sagen hat ja eine gewisse Kraft, eine eigene Dynamik, die sich uns entzieht und nicht lenkbar ist. Vieles an Ungutem wäre wohl vermeidbar.
Geprägt vom Geist der 70er stellte ich an eine Beziehung natürlich andere Ansprüche. Das was uns vorgelebt worden war, hatte sich als Auslaufsmodell herausgestellt. Ich bin mir nicht sicher, ob man vor lauter Achterbahnhormonen an Ehrlichkeit überhaupt dachte. Beschickert und auch hinreissend unreif hatte man zwar keine Geigen, dafür aber E-Gitarren am Himmel und eigentlich keinen Sinn für Ausschliesslichkeit. Somit fiel ein Grund für Unehrlichkeit flach...sozusagen. Und trotzdem war der Geist zwar willig, das Herz aber schwach. Natürlich verfielen wir alle mehr oder weniger doch in die alten Muster. Das finde ich heute noch als schade, denn diese haben mehr Leid über die Menschen gebracht als mancher Krieg.
Wenn ich nun ehrlich sein will, immer die Wahrheit sagen und fordern will: ist es nun die wahrgenommene, die "gefühlte" individuelle Wahrheit, oder eine allgemeingültige? Gibt es da überhaupt eine solche in einer Beziehung? Sieht da das Herz tiefer und erkennt das Wahre und das Unwahre? Mag sein, in der Liebe hat die Lüge einen Zweitnamen: Angst.

by Puck

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michele_dar...

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Beiträge: 1

Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von michele_dark_angel am 19.08.2009 12:19

Hallo zusammen :-) bin über eine Freundin auf dieses Forum aufmerksam geworden

ich möchte einfach mal das hier "rein schmeissen"

Wahrheit

Wahrheit kann nur Wahrheit sein wenn sie universell ist
Liebe und Wahrheit sind Gaben des Universums
Wohnen jedem Lebewesen inne
deine Wahrheit und meine Wahrheit sind keine Wahrheiten
sie sind begrenzte Blickwinkel unseren Daseins

Gebt mir Wahrheit und ich schenke euch Leben
Gebt mir Liebe und sich schenke euch Wahrheit

Wahrheit ist geben und nehmen in Balance

Ein Geist, eine Seele, ein Verstand
eine Wahrheit

by Dark Angel August 2009

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Bettina

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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Bettina am 20.08.2009 19:14

Na ja, Puck, "auf Deubel komm raus motivieren ist manchmal notwendig" sagst Du. Wie soll ich das übersetzen, vielleicht mit: diplomatisch vorgehen? Diplomatischer Umgang mit anderen Menschen ist ja manchmal notwendig, bei meiner Arbeit beispielsweise im Umgang mit etwas schwierigeren Kunden. Sowas kann ich auch ganz gut, glaube ich. Aber in welchen Lebensbereichen auch immer diplomatisches Vorgehen nötig ist, in meiner Partnerschaft w i l l ich nicht diplomatisch sein müssen! Es widerstrebt mir einfach, auch hier eine Rolle spielen zu sollen. Bei dem mir vertrautesten und liebsten Menschen erwarte ich, I C H sein zu dürfen, ohne wenn und aber. Das ist nicht wenig verlangt, ich weiß.
Ist schon richtig, was Du schreibst über die leider meistens gestrandeten alternativen Versuche des Zusammenlebens. Trotzdem: die alte Zweier-Beziehungs-Ausschließlichkeit funktioniert nicht wirklich, hält sich aber soooo hartnäckig. Heute ist sie nach meinen Beobachtungen sogar wieder fester zementiert als in den 70er und 80er Jahren.
Beginnt nicht eine Zweier-Beziehung schon mit einer Lüge, wenn zwei da glauben, sie seien bis ans Ende ihrer Tage mit sexueller Ausschließlichkeit glücklich? Vielleicht ist das ja noch keine Lüge, sondern eher ein tragischer Irrtum... Warum können die meisten darüber nicht nachdenken und miteinander reden? Geistige Treue und sexuelle Treue sind zwei verschiedene Schuhe, finde ich.
Bei der Ehrlichkeit im Umgang miteinander in der Partnerschaft dachte ich zwar an umfassend alle Bereiche des Lebens, aber klar, die meisten Lügen betreffen wohl das Fremdgehen.
"Mag sein, in der Liebe hat die Lüge einen Zweitnamen: Angst.", sagst Du. Damit beantwortest Du ein Stück weit, warum das alles so schwer ist mit der Ehrlichkeit.
Mir fallen jetzt ein: Verlustangst, Angst vor dem Vergleich. Bestimmt gehörte noch so manches mehr hier her.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.08.2009 19:17.

Prignitzer43
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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Prignitzer43 am 22.10.2009 01:47

Meine konsequent subjektive und absichtlich zugespitzte Betrachtungsweise nach folgendem Zitat:

Beschickert und auch hinreißend unreif hatte man zwar keine Geigen, dafür aber E-Gitarren am Himmel und eigentlich keinen Sinn für Ausschließlichkeit. Somit fiel ein Grund für Unehrlichkeit flach...sozusagen.
Puck Grünenwald


Tja, die Ausschließlichkeit, die sexuelle, dieses „Du, Du, Du allein“... eine Sehnsucht, die vom Teufel erfunden sein muss, weil ein Verlangen, das allüberall Unehrlichkeiten gebiert, dass es zum Himmel schreit. Wer sexuelle Ausschließlichkeit erwartet und verspricht,. egal ob aus Kalkül oder Wunschdenken, egal ob wider besseren Wissens oder ob man sich in seinem Kopfe den Menschen in illusionären Farben malt... wer auf eine derartige Ausschließlichkeit setzt, öffnet Lug und Trug alle Tore Denn eine derartige Ausschließlichkeit ist letztlich eine Unmöglichkeit, denn sie ist wider die libidinöse Natürlichkeit. Wer Ausschließlichkeit propagiert, ist darauf aus, den Menschen seiner sexuellen Natürlichkeit zu entkleiden und ihn auf eine Formel zu reduzieren. Was schief gehen muss: Denn des Menschen Natur ist (wie die Natur insgesamt) mächtiger als jeder Versuch, sie auf Dauer zu minimieren, zu kanalisieren, zu disziplinieren. Es sei denn, wir geraten in die totale Stumpfsinnigkeit. In die Blödigkeit des Leibes und der Seele. Wir werden Hülle, die nichts mehr umhüllt. Alle Sinne erstorben. Verfall total. Endstation. Wer diese aber nicht erreicht hat (und wer möchte die schon erreichen?), in dem ist die Natur, auch die libidinöse, unausgesetzt im Gange, ob man will oder nicht. Edelmut hin oder her. Willenstärke desgleichen. Selbst Kasteiungen auf Dauer ohne Effekt; zudem ein inhumaner Akt an sich selbst, eine Selbstverstümmelung. Tja, und trotzdem diese sexuelle Ausschließlichkeit von Vielen vielmals erwartet. Vielen vielmals versprochen. – Warum? Gründe die Fülle. Aber bei Lichte betrachtet sind es nur zwei: ein unehrenhafter und ein irrationaler. Der irrationale: man möchte nicht verletzen, nicht verletzt werden; der ganz und gar unehrenhafte: jede Art von Besitzdenken..

Über den unehrenhaften Grund, das Besitzdenken, muss nicht lange nachgedacht werde. Wer Ausschließlichkeit einfordert, weil Partner/Partnerin zum Besitz erklärt wird wie im alten Testament Haus, Hof und Vieh (9.u.10.Gebot), ist nicht bedenkenswert, sondern schlichtweg unter unakzeptabel zu verbuchen. Denn dergleichen hat mit Partnerschaft oder Liebe nichts zu tun; sondern ist ein Synonym für Leibeigenschaft.

Der irrationale Grund: den Partner/die Partnerin nicht verletzen bzw. von ihm/ von ihr nicht verletzt werden wollen. – Und nun die Frage: Einer/eine hat mit einer/mit einem neben der Partnerschaft her, sprich: außerhalb der Partnerschaft seinen/ihren sexuellen Gelüsten Raum gegeben, sprich: die Libido hat alle Vorsätze in punkto sexuelle Treue überrannt. Warum verletzt dies den Partner, die Partnerin? Was ist denn das Verletzende? – „Der Verrat“, sagen die Meisten. Aber ich habe noch niemanden gefunden, der mir den angeblichen diesbezüglichen „Verrat“ näher hat definieren können. Das einzige, was halbwegs aufgeschlossene Zeitgenossen noch sagen: Das ginge nicht von ihrem Verstand aus. Das sei eine Sache des Gefühls. Man fühle sich wie eine/einer neben anderen. Aber man möchte doch, dass man für jemanden der/die Einzige ist. Rundum und ewig.

Ja, ja, sage ich dann immer, das wäre ja auch gegeben, wenn es die sprichwörtliche einsame Insel gäbe. Zwei Menschen in der totalen Isolation. Aber normalerweise und gesünderweise(!) ist man von Menschen umgeben. Und da funktioniert es nun mal nicht mit „der Einzige/die Einzige“. Jedenfalls nicht auf Dauer. Jedenfalls nicht im Sexuellen. In oder mit der Liebe auch nicht immer, aber das mit der Liebe hat eine weitere Dimension, die der emotionalen Bindung an einen Menschen. Diese Bindung fließt zwar oft auch in sexuelle Begierden ein, aber nötig ist den sexuellen Begierden von Natur aus eine emotionale Bindung an das „Objekt der Begierde“ höchst selten, um sich zu aktivieren, zu entfalten, zu entladen. Triebe bleiben letztlich Triebe. Nicht vordergründig dem Gott Amor verpflichtet, sondern zuallererst dem Gott Eros. Und wenn wir uns schon oft, wie jeder Mensch weiß, Gott Amors Diktaten nur schwerlich zu entziehen vermögen, ob wir bereits gebunden sind oder nicht; Gott Eros diktiert ungleich drastisch diktatorischer. In starken Momenten kann man sich dem womöglich dennoch entziehen, aber wehe, Gott Eros’ Diktat erwischt uns in schwachen Moment, sagen wir mal, wenn wir zuvor schon Gott Bacchus gehuldigt haben. Mir ist noch nie zu Ohren gekommen, dass Weingenuss Liebende hervorgebracht hat, aber oft genug, dass selbiger Genuss dem Sex alle hinderlichen (Skrupel-)Barrikaden aus dem Weg geräumt hat. – Mensch lässt sich gehen. Oder konkreter: Der Mensch lässt seinem sexuellen Wesen freien Lauf. Und wer den Menschen auch als sexuelles Wesen und nicht nur als zur Liebe fähiges begreift, kann da wohl kaum von Verrat sprechen. Sondern müsste sagen: Sein/ihr sexuelles Wesen hat es nötig gehabt, zum Zuge zu kommen. Und ich war nicht greifbar und außerdem, ich bin ja im Bett nicht mehr die absolute Überraschung. – Ja, ja, mag sein, schon richtig, höre ich zuweilen, aber wenn schon nicht der Gedanke an Verrat, aber dann bleibt ja immer noch die Angst. – Welche Angst? – Na, die Angst vor dem Vergleich. – Ja, die kann aufkommen, sag ich, aber eigentlich nur, wenn Gott Eros mit Gott Amor gemeinsame Sache gemacht hat. Ansonsten ist sie in aller Regel unnötig, weil nichts eine geringere Halbwertzeit hat als sexuelle Glut. Klar ist der neue Sexpartner/die Sexpartnerin im Vorteil, aber der ist ein höchst flüchtiger, sich baldigst verflüchtigender. Sexuelle Neugier, das „Frischfleisch“ bald „abgehangenes Fleisch“, wenn die Liebe nicht mit im Spiele ist. – Ja, und wenn nun Liebe mit im Spiele ist? – Nun ja, keine Partnerschaften ohne Risiko. Mag man nicht glauben, muss man sich aber jeder Zeit vor Augen führen. Ein Risiko bleibt’s immer, sagten sich einst, nämlich vor vorgestern 31 Jahren, Frau und Herr R., die standesamtliche Trauung überstanden. Ein Risiko bleibt’s immer. Schon deshalb, um sich nicht in trügerischer Sicherheit zu wiegen, die einmal gewonnene Liebe ist ewig, weiteres sich um dieselbe Bemühen unnötig.

Und jetzt führe ich hier ein Wort ein, das die deutsche Sprache nicht kennt. Die kennt zwar um-denken, aber nicht um-fühlen. Und mir wollt’ mal jemand weismachen, dass es dieses Wort nicht gibt, weil man zwar sein Denken ändern, aber seine Gefühle nicht derart in den Griff kriegen könnte. Ich aber sage: Man kann dies. Und wer daran zweifelt, stellt unserer Psyche ein Armutszeugnis aus, nämlich das, sich nicht entwickeln zu können. Also: so geboren, so gestorben. Und alle Welt an allem schuld. – Nein, ist sie nicht, und den Gefühlen ist aufzuhelfen. Bertolt Brecht nannte das mal: Die durch Denken gereinigten Gefühle. Und wenn man das tagtäglich auslotet, kann es zum Erfolg führen. Und irgendwann sagt man vielleicht: „Gestatten wir unseren sexuellen Trieben, was diesen Trieben nun mal innewohnt, das nimmermüde nach dem Unbekannten Gierende. Und danach treffen uns zum gemeinsamen Frühstück.“ – „Aber nicht in aller Hergottsfrühe.“ – „Nö, so um die Mittagszeit, wär’ dir das recht?“

Und am End noch eine persönliche Erfahrung: Selbst wenn neben der Partnerschaft noch weitere Liebe im Spiele sein sollte. – Des Menschen Herz oder Seele oder emotionales Vermögen ist nicht so eng, wie alle Schulweisheit oder „Romeo und Julia“-Lektüre uns weis machen will. Wir können auch zwiefach oder noch mehrfacher gleichzeitig lieben, ohne die/den links und die/den rechts zu vernachlässigen.

Ein Diskussionsbeitrag.

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Prignitzer43
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Re: Etwas über das Wahrheit-Sagen im engsten persönlichen Bereich: Partnerschaftspflege

von Prignitzer43 am 23.10.2009 00:20

(Ausschließlichkeit, Teil 2 meines Beitrags)

Da es bei diesem Thema ja ums Wahrheitsagen geht, und ich im ersten Teil meines Beitrags behaupte, Wunsch und Wille nach sexueller Ausschließlichkeit müssen von Teufel erfunden worden sein, weil dieser Wunsch und dieser Wille dem Lug, dem Trug alle Tore öffnen, hier also ein paar Anmerkungen im Umkreis von: Wie sag’ ich’s meinem Partner/meiner Partnerin, wenn’s schief gegangen ist mit Wunsch und Wille nach der Ausschließlichkeit? Oder sag’ ich lieber gar nichts? Oder wenn es sich nicht vermeiden lässt, über gewisse Stunden meiner Abwesenheit Rechenschaft abzulegen, erfinde ich dann plausibel Klingendes, das alle Realität außen vorlässt? Die leidige Dienstreise, die es in Wahrheit aber gar nicht gab oder wenn sie gab, unternahm ich sie mit Arbeitskollegen, -kolleginnen, weiter nix. Die Überstunden, die ich aber überhaupt nicht zu leisten hatte? Das Unwohlsein, das mich daran gehindert hat zu kommen; ich musste leider im Bett bleiben, was ich ja auch musste, aber nicht im eigenen und auch nicht bedauerlicherweise? Und so weiter, und so weiter... Soviel Lug, soviel Trug, soviel Varianten, sich in ein unverfängliches Licht zu stellen. – Sogenannte Betrogene (blödes Wort!) können zahllose Lieder singen, worauf sie alles reingefallen sind.

Aber es gibt ja auch, und das zu betrachten ist allemal interessanter... es gibt ja auch das Nach-Hause-Kommen und dann irgendwann, gleich oder später, die Rede: „Schatz, du hör mal, ich muss dir was sagen...“ – Die Wahrheit nämlich.

„Früher“, und diese Phase währte lange... früher, da dachte ich über das Wahrheitsagen: sofort, rigoros, alles auf den Tisch, jedes Detail... so und so war das, das hab’ ich dabei gedacht, dabei gefühlt, so war mir, und das war’s, und Punkt. – Wahrheit jeder Zeit jedem Menschen zumutbar. Bedenkenlos.

Heutzutage, und diese Phase ist noch eine relativ junge.... heutzutage, da bin ich mir unsicher, sowohl über das ‚sofort’, als auch über das ‚rigoros’, sprich ‚alles auf den Tisch, jedes Detail’. Warum heutzutage meine Unsicherheit? Weil ich nicht mehr sicher bin, ob jedem Menschen, und wenn schon jedem Menschen, dann womöglich nicht jederzeit die Wahrheit zumutbar ist. Ist zumutbar ohne Bedacht tatsächlich Ehrlichkeit, weil man dem/der Anderen Ehrlichkeit schuldet. Ist jene Ehrlichkeit, wie ich sie früher propagierte/lebte, tatsächlich entstanden, weil ich dem/der Anderen gegenüber ehrlich sein wollte, oder diente diese meine Ehrlichkeit womöglich vor allem mir selbst: So(!), mir was von den Schultern gekippt, von der Seele geredet, vom Gewissen genommen. – „Sieh zu, was du damit anfängst, ich war jedenfalls ehrlich.“ – Wo mitschwingt, ob man es will oder nicht: „Ja, ja, ist hart, seh ich ein, aber hättest du es lieber gewollt, dass ich dich belüge oder über was im Unklaren lasse?“ Und dadurch, könnte nicht sein: Das Wahrheitsagen, die hohe Tugend des menschlichen Miteinander, eventuell mutiert oder verkommen zum niederschmetternden Steinschlag: „Was willste noch mehr, ick zieh’ mit nischt intern Berg.“

Heutzutage glaube ich: Die Wahrheit ist nicht in Bausch und Bogen jedem Menschen zumutbar, und denen sie zumutbar ist, ist sie in aller Regel zumutbar immer nur zur rechten Zeit, und zu dieser mit bedachtsamer Wörterwahl, und im Tonfall die Liebe oder zumindest die Achtung dem/der Zuhörenden raushörbar. Denn Wahrheit ohn’ all’ Bedenken kann den Menschen, der sie vernimmt, traumatisieren. Wer beispielsweise aus allen Wolken fällt, kann sich den Hals brechen.

Das ist nun wohl auf jedes Wahrheitsagen anwendbar. Was speziell das Wahrheitsagen beim nicht Eingehaltenhaben von sexueller Ausschließlichkeit angeht, gibt’s noch einen anderen Weg, der das Überlegen, wie, wann sag’ ich die Wahrheit oder sage ich sie lieber nicht, hinfällig macht: Das Drübersprechen, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Nehmen wir die Erstverliebten aus, die Vierzehn-, Fünfzehn-, Sechzehnjährigen, die zum ersten Mal auf ein Liebeslager gefallen sind und, wenn’s beim ersten gemeinsamen Orgasmus gewirbelt hat, als hätt’ man den Himmel in Gänze auf die Erde gezogen, felsenfest glauben, die Liebe pur gefunden zu haben. Aus denen wird sowieso kaum mal Partner und Partnerin; die Zeit, dass man „heiraten musste“, ist Gott sei Dank vorbei. – Also, die Erstverliebten oder Erstgetriebenen ausgenommen, wäre es doch wohl möglich, dass die, die schon mannigfaltig Sex hatten, kennen, nun meinen, den Lebenspartner/die Lebenspartnerin gefunden zu haben, die Gretchen-Frage stellen. Nun nicht: „Heinrich, wie hältst du es mit der Religion?“, sondern: „Liebster/Liebste, wie hältst Du es mit der sexuellen Ausschließlichkeit?“ Und wenn sich Beide klar gemacht haben (siehe Beitrag 1 meiner Auslassungen), das sie nun mal nicht auf einer einsamen Insel leben, also erotische/sexuelle Reize die Fülle sie umgeben, dann könnte man doch übereinkommen: „Du, ich liebe dich, und Du liebst mich, und wo trotzdem wer wem mal im Bett oder auf irgend’ner Wiese erliegt, was ficht uns das bei all unseren sonstigen Gemeinsamkeiten denn an?!“

Teil 2 eines Diskussionsbeitrages.

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