Frauen aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Prostitution in NRW

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Kirsten

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Frauen aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Prostitution in NRW

von Kirsten am 20.02.2009 22:25

Hallöchen :)

Ich erzähle hier mal ein wenig von einer Randgruppe, mit der ich beruflich im Moment viel zu tun habe.
In einem Vorort, dessen Namen ich mir nicht merken kann... einem Vorort von Plowtiw jedenfalls, der zweitgrößten Stadt Bulgariens... da leben fast ausschließlich Menschen einer türkischsprachigen Minderheit, Roma.
Dieses Viertel wird von EU-Politikern als Ghetto bezeichnet. 90% Arbeitslosigkeit, kaum Zugang zum Bildungssystem, zur Gesundheitsvorsorge, zu Krankenversicherungen...
Der Strom des gesamten Stadtviertels wurde einfach abgestellt, die Stromversorgung gekappt... weil seit über 10 jahren kaum jemand seine Stromrechnung bezahlt hat.
Manchmal gibt es fließendes Wasser. Ab und zu... aber erst, seit 2007 eine Hepatitis-Epidemie gewütet hat und man das auf die schlechte Wasserversorgung zurückführte. Die meisten Häuser wurden ohne jede Baugenehmigung errichtet, weil sowieso kein Roma eine erhalten hätte... und die Menschen leben seit Jahren in der Angst, ihre Häuser werden einfach abgerissen. Sie sind extremer Diskriminierung ausgesetzt.
Nur, um das mal kurz zu umreißen...
Aus diesem Viertel kommen mehr als 400 Frauen, meist junge Frauen, nach Dortmund. Warum gerade Dortmund? Ich weiß es nicht... die ersten 5 waren irgendwann da und da kamen die Freundinnen, Schwestern und Cousinen... und jetzt sind es über 400...
Sie sprechen ein Mischmasch aus türkisch, bulgarisch und romanesc und können sich nur untereinander verständigen. Sie sind fast alle Analphabetinnen und unsere vielsprachigen Infozettel nutzen nichts. Sie arbeiten als Prostituierte und haben keine Ahnung von Sex, von sicherem Sex, von sexuell übertragbaren Krankheiten oder von Empfängnisverhütung... Von ihrem Geld lebt zuhause meist eine Großfamilie. Und sie leben hier in Dortmund, zu sechst auf einem Zimmer, stehen bei jedem Wetter 16 Stunden auf der Straße, sind und werden krank und kränker und nebenbei auch schwanger.... dann wird abgetrieben. In Bulgarien kostet eine Abtreibung 50,-€... egal in welchem Monat. Mittlerweile fährt ein Linienbus zweimal wöchentlich Dortmund-Plowtiw.
Diesen Frauen gehts hier richtig schlecht, aber für ihre Verhältnisse sind sie im Paradies. Ein Waschbecken für 6 Frauen??? Wahnsinn, fließendes, sauberes Wasser!
Diese Frauen sind keine "Opfer von Menschenhandel", sie sind freiwillig hier und mit Begeisterung! Die ersten waren schon wieder zurückgekehrt, aber zuhause war es langweilig, alle Freundinnen waren hier, also kamen sie wieder zurück.
Wir erleben pro Woche ein bis zwei Abtreibungen. Wir haben eine kostenlose medizinische Notfallversorgung organisiert. Wir haben ehrenamtliche Dolmetscherinnen einmal pro Woche für ein paar Stunden. Wir verteilen Kondome und erklären mit Händen und Füßen, wie man sie benützt. Wir besorgen Schwangerschaftstest im 100er Pack.

Das alles hier, mitten in Europa, im Jahr 2009.

Und nach drei Jahren Meldeadresse in Deutschland haben die Frauen Zugang zum Sozialsystem. Hartz4, sie kommen. Wenn sie es solange schaffen. Bisher ist noch keine gestorben...

Wollt ich mal erzählen...

Lieben Gruß

Kirsten


Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
Die wuchert nämlich schon beim Hingucken, aber was glaubt Ihr, wie die wuchert, wenn Ihr wegguckt
(Hermann Prignitzer)

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Prignitzer43
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Beiträge: 35

Re: Frauen aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Prostitution in NRW

von Prignitzer43 am 05.03.2009 03:45

Ich las diesen Beitrag jetzt zum dritten Mal und... tja, und was nun? Nun ja, wir erfahren mal wieder an einem konkreten Beispiel, dass "Leben unterhalb der Armutsgrenze" nicht gleich "Leben unterhalb der Armutsgrenze" bedeutet. Womit ich das Leben eines Bundesbürgers unterhalb der Armutsgrenze jetzt nicht bagatellisieren möchte, aber nützlich ist es schon, durch diesen Blick übern Gartenzaun, den uns Kirsten hier gestattet, mal wieder zu erfahren, dass die bundesrepublikanische Armutsgrenze schon nicht einmal der Nabel der europäischen Armutswelt ist, von außereuropäischer Armut ganz zu schweigen. Bulgarien liegt von Deutschland nicht einmal so weit entfernt wie die Türkei. - Bulgarien. Ein Land, dem 1989/90 das pseudosozialistische System ebenso weggebrochen ist wie den Deutschen auf dem Terrain der ehemaligen DDR. Nur damit erschöpft sich auch schon die Gemeinsamkeit der Bürger und der Bürgerinnen der ehemaligen Bulgarischen Volksrepublik und der Bürger und Bürgerinnen der ehemaligen DDR. Während die DDR-Deutschen sich mit den Deutschen der Bundesrepublik zusammentun konnten, also die Ostdeutschen mit den Westdeutschen, hatten die Bulgaren (und nicht nur die Bulgaren!) nichts Vergleichbares, was ihnen aufhelfen konnte. Die saßen auf ihrem Trümmerhaufen "Volksrepublik", und niemand außerhalb ihrer Staatsgrenzen kümmerte sich darum. Im Gegenteil. Ich höre noch im Umfeld des Tages, an dem Staaten des ehemaligen Ostblocks EU-Länder wurden, wie in den sogenannten Neuen Bundesländern das große Bibbern laut wurde, weil die Furcht umging, nun würde Geld aus Brüssel womöglich statt nach beispielweise Dresden nach beispielsweise Plovdiv fließen. Und nirgends war zu hören, dass die Einwohner von beispielsweise Dresden verglichen mit den Einwohner von beispielweise Plovdiv mehrheitlich und übermehrheitlich in Saus und Braus leben. Aber EU-solidarisch wäre es gewesen, wenn die Mittel für den sogenannten "Aufbau Ost" fortan stillschweigend nach Bulgarien (und Polen und die Slowakei etc.) gegangen wären. - Na ja, einen Nachteil hätte das unter Umständen irgendwann: In Dortmund und anderswo in Deutschland würden für den Deutschen Michel die gewiss billiger als deutsche Nutten zu habenden osteuropäischen Nutten, die es zudem auch leicht mal ohne Präser machen und so, weniger hübsch zahlreich zur Verfügung stehen. Die Osteuropäerinnen könnten ja irgendwann vielleicht, wenn sie an der Prostition Gefallen haben, auch in ihrem Heimatland damit ihr Auskommen haben. Zum Beispiel die Plovdiver Prostituierten durch Plovidiver Freier statt durch Dortmunder Freier. Ist doch vermutlich nur 'ne Frage des allgemeinen Lebensstandards, wo es sich einträglich auf der Straße steht, wenn Frau in diesem Beruf ihr Geld verdienen möchte...

Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.03.2009 11:14.

Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Re: Frauen aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Prostitution in NRW

von Kirsten am 15.04.2009 21:46



Morgen, 22:00 Uhr im WDR

Lieben Gruß

Kirsten

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Kirsten

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Beiträge: 54

Re: Frauen aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Prostitution in NRW

von Kirsten am 20.04.2009 13:41

Na toll...

Heute in der Bildzeitung NRW auf Seite 3: Fette Überschrift:

"Staat bezahlt Abtreibung für Straßen-Huren!"

Link *klick*

Genau... das ist der eigentliche Aufreger an der Geschichte... BILD hats kapiert....

Mannomann... "...die Geister die ich rief..." Jetzt haben die Medien zwar alle Interesse an dem Thema, aber SO hatte ich mir das nicht gedacht.

*grmpf*

Lieben Gruß

Kirsten



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Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.04.2009 13:52.

Kirsten

59, Weiblich

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Re: Frauen aus den neuen EU-Beitrittsländern in der Prostitution in NRW

von Kirsten am 21.04.2009 13:20

...und es ist noch lange nicht vorbei....

*Bildzeitung heute*

*kopfschüttel*

Kirsten

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
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Antworten Zuletzt bearbeitet am 21.04.2009 13:20.

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