Der Journalist

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Kirsten

59, Weiblich

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Der Journalist

von Kirsten am 16.03.2009 00:04

Bildhintergrund: Unvorteilhaftes Foto von Tom B. nach einem siegreichen Badmintonturnier im durchgeschwitzen T-shirt und roten Flecken im pausbäckigen Gesicht. Volle Schärfe auf Tom B, die umarmenden Kumpel mit datenschutzkorrekt verpixelten Gesichtern, der Hintergrund unscharf bearbeitet. Der Blick des Zuschauers frisst sich unweigerlich in Tom B`s Gesicht.

Der Journalist: "Das ist Tom B. Der Junge, den niemand gern hatte. Ausgegrenzt und gemobbt wurde er, ungeachtet seiner Badmintonerfolge. Als durchschnittlicher Schüler brachte er es nie zu Ruhm und Ehre. Beachtet wurde er nur, wenn seine Mitschüler über ihn lachten, mit dem Finger auf ihn zeigten, ihn ausgrenzten. So wurde Tom B. zu einem Aussenseiter, flüchtete sich in virtuelle Realitäten und fraß all seinen Frust in sich hineinen, bis er schließlich explodierte."

Bildhintergrund: Das Elternhaus des Tom B in Nahaufnahme, durch die Spalten der geschlossenen Jalousie erheischt der aufmerksame Zuschauer einen Blick ins Innere, ein gutbürgerliches Wohnzimmer, Eiche rustikal. Straßenschild und Hausnummer sind deutlich zu erkennen.

Der Journalist: "Hier wuchs er auf, eines der besseren Häuser im beschaulichen Schitdorf in Schleswig-Holstein. Geld spielte nie eine Rolle. Hier verschanzen sich die Eltern des Täters. Klaus und Marianne B. um unbequemen Fragen der Journalisten aus dem Wege zu gehen. Mehrere Polizisten vor dem Haus sorgen dafür, dass es auch so bleibt, die Straße ist weiträumig abgesperrt"

Bildhintergrund: Ein Schulzentrum aus Betonbauplatten. Davor der schmucklose Schulhof. Keine Menschen.

Der Journalist: "Wann werden unsere Politiker endlich etwas tun gegen Mobbing und Gewalt an unseren Schulen? Wann lernen Schüler den friedlichen Umgang miteinander, ohne andere auszugrenzen, mit dem Finger auf Schwächere zu zeigen, wann lernen Schüler endlich einen respektvollen Umgang miteinander?"

Bildsequenz: Der Journalist in Großaufnahme, eindringlich starren blaue Augen in den Schlund des Kameraobjektivs und somit in Millionen Wohnzimmer zur besten Vorabendsendezeit.

Der Journalist: "Respekt, friedlicher Umgang, Akzeptanz von Aussenseitern, Intergration der Andersartigen, der Schwachen, der Wehrlosen. das sind die moralischen Ziele, die unsere Schulen endlich verfolgen sollten. Unsere Schulen und die Elternhäuser! Dann werden wir endlich aufatmen können, weil nur so die Gefahren solcher tickenden Zeitbomben unter unseren Schülern gebannt werden können! Die Menschenrechte sollten endlich Einzug in unseren Schulen halten"

Bildsequenz: Der Blickwinkel vergrößert sich langsam. Das Gesicht des Journalisten wird von einem modernen Flatscreen-Fernseher umrahmt. Dann erkennt man einen Wohnzimmerschrank, Eiche rustikal. Ein Wohnzimmer erscheint im äußeren Bildrand. Auf dem Sofa sitzt ein Mann mittleren Alters mit einer Schußwaffe in seiner Hand. Er steckt langsam den Lauf der Waffe in seinen Mund und drückt ab.





Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
Die wuchert nämlich schon beim Hingucken, aber was glaubt Ihr, wie die wuchert, wenn Ihr wegguckt
(Hermann Prignitzer)

Antworten Zuletzt bearbeitet am 16.03.2009 00:37.

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