Mein Mann ist ein Mann ist ein Mann!

[ Nach unten  |  Zum letzten Beitrag  |  Thema abonnieren  |  Neueste Beiträge zuerst ]


Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Mein Mann ist ein Mann ist ein Mann!

von Kirsten am 19.02.2009 11:06

Als die ersten europäischen Trapper etwas näheren Kontakt zu den nordamerikanischen Indianern bekamen, sahen sie Vieles, was sie weder verstehen noch interpretieren konnten, weil es Ihnen völlig fremd war. Sie interpretierten dennoch... waren ja nur Menschen, die Trapper. Die indianischen "Two Spirit", eine besondere, hoch angesehene Menschengruppe unter den Indianern, erschien ihnen wie von einem anderen Stern. Männer in Frauenkleidern, die sich bewegten wie Frauen, lebten wie Frauen, all die Dinge taten, die Frauen tun... manche mit einem Mann an ihrer Seite, andere teilten mit einer Frau das Zelt.... Die hoch angesehen waren vom ganzen Stamm. Die arbeiteten als Heilerin, Prophetin, denen man nachsagte, besonders enge Verbindung zu Gott zu haben, weil Gott weder Mann noch Frau ist, sondern alles in sich vereinigt, wie auch diese Menschen Anteile beider Geschlechter in sich vereinigen.

Aber ebenso gab es scheinbar Frauen in Männerkleidung, im Leben eines Mannes, tapfere Krieger, die besten Kämpfer, geschickte Reiter, häufig sogar Häuptling eines Stammes aufgrund der besonderen Tapferkeit und Weisheit oder sagt man dann "Häuptlingin"? Wo es doch in den Augen der Trapper eigentlich Frauen waren?

Nun, wir wissen nicht, ob es die Schwierigkeiten mit der Formulierung waren oder die Resignation angesichts der nicht zu beantwortenden Frage: "Mann oder Frau"?, die die Trapper dazu bewegten, diesen Zuständen schnell ein Ende zu bereiten. Bevor wir die Indianer mal in Ruhe fragen konnten, wie sie denn auf diese coole Idee gekommen sind, so ganz selbstverständlich das dritte Geschlecht in ihrer Gesellschaft zu integrieren, hatten wir sie leider bereits ausgerottet und ihre Kultur zerstört. Alles was uns bleibt, sind die schwer christlich europäisch geprägten Erlebnisberichte der ersten Menschen unserer Kultur in Indianerkreisen, die in der Regel damit enden, dass man diese sündbehafteten "Berdaches" (Prostituierten) und "Homos" den Hunden zum Fraß vorgeworfen hat.

Dumm gelaufen. Wo wir doch heute noch hier rumstrampeln an der Frage, wie wir damit nur umgehen sollen, dass die Natur uns gerne immer mal wieder eine lange Nase zeigt, wenn es um die von uns konstruierte, unantastbare Mann-Frau Dualität geht. Zeigte bei den Indianern ein kleines Mädchen besonderes Interesse am Reiten, Kämpfen, usw, oder der kleine Junge am Kochen, am Nähen ect, dann waren die Eltern froh und stolz, einem Two-Spirit das Leben geschenkt zu haben. Diese Kinder konnten sich entfalten, ganz wie sie ihre Identität lenkte. Ich weiß es natürlich nicht, aber vielleicht ist es damit vergleichbar, in unserer Zeit und Gesellschaft ein nachgewiesen hochintelligentes Kind zu haben. "Boah" eben?

Zeigt in unserer Zeit und Gesellschaft ein kleiner Junge Interesse an Make-up und Stöckelschuhen, ein Mädchen an wilden Raufereien oder Autos, dann hat das wenig "Boah"-Potential. Aber wir wissen ja, dass wir anders sind, als die nordamerikanischen Indianer. Schade eigentlich.

Hier und heute fordern besorgte Väter, dass ihren Söhnen im Kindergarten der Zugang zu Schminkutensilien und Kleidern in der "Verkleidungsecke" verwehrt wird, damit der Junge nicht auf falsche Gedanken kommt. Zu jungenhafte Mädchen werden in besonders rüschige Kleidchen gezwängt um ihnen die Normalität nahe zu bringen... nein, wir sind ja keine Indianer.

Mit unserer Erfindung der ausschließlichen Zweigeschlechtlichkeit haben wir ganz schön zu tun. Die Natur ist gegen uns, lässt kleine Jungs zu Schwulen werden, Mädchen erkennen, dass sie Jungs sein wollen oder gar bereits Neugeborene mit uneindeutigen Geschlechtsmerkmalen auf die Welt kommen. Ärgerlich, aber kein unlösbaren Probleme für uns. Transidenten dürfen ihr gesellschaftliches Geschlecht angleichen, vorausgesetzt, sie weisen entsprechende psychiatrische Gutachten vor und lassen größere operative Eingriffe an ihren intakten Körpern vornehmen. Wechseln ins ?gefühlte Geschlecht? ist möglich, aber wenn, dann richtig. Ein Mann mit intakter Gebärmutter? Verboten. Eine Frau mit einem Penis? Kommt nicht in Frage! Personen uneindeutigen Geschlechts? Niemals! Wir haben schließlich eine fortschrittliche Medizin, die uns ermöglicht, die Natur an unser Zweigeschlechtlichkeitskonstrukt anzupassen. Manchmal brauchen wir eben ein Skalpell, um der Natur auf die Sprünge zu helfen.



Was wäre wohl aus meinem Mann geworden, wenn er nicht ins Hier und Jetzt, sondern in die unberührte nordamerikanische Kultur geboren wäre? Wäre er wegen seiner Brüste so unglücklich gewesen, wenn er völlig selbstverständlich als hochangesehener Mann- mit seinen Brüsten- hätte leben können? Hätte er seinen Körper so abgelehnt, wenn dieser nicht ein absolutes soziales Hindernis in einer männlichen Identität darstellen würde? Kann ein Mann mit Brüsten glücklich sein, wenn alle Menschen in seinem Umfeld einen Mann mit Brüsten männlich, sogar besonders männlich finden? Wir können keinen Frau-Mann Two-Spirit bei den Indianern fragen.... Wir haben sie alle umgebracht. Schade eigentlich... Ich hätte es so gerne gewusst...

Nein, die Geschichte meines Mannes ist eine andere. Niemand kam auf die Idee, dass in diesem Körper mit weiblichen Attributen ein Junge stecken könnte, auch er selbst nicht. Das undefinierbare Gefühl, in einem unpassenden beengendem Anzug zu stecken, verursachte Angststörungen und Unglück, aber die Erkenntnis "Ich bin ein Mann!", die kam erst so spät... Und auch dann war da zwar große Erleichterung, endlich ein Wort zu haben für dieses zuvor so nicht greifbare Gefühl, aber das war noch lange nicht die Lösung.

Hier und Jetzt kann man nicht mal eben zum Einwohnermeldeamt gehen und freundlich lächelnd sagen "Hallo, in meinem Ausweis steht versehentlich ein falsches Geschlecht, können sie das bitte mal eben ändern?" Neee.. so einfach geht das nicht. Zunächst einmal musste diese "Frau" sich von Fachleuten diagnostizieren lassen, und zwar als "Frau mit sexueller Identitätsstörung". Ungeheuerlich. Da wusste er endlich, dass er ein Mann ist und muss sich als ersten Schritt zu einer "Frau mit Störung" definieren lassen. Finde nur ich das eine bodenlose Frechheit? Die Störung lag nicht in meinem Mann, sie lag und liegt in dieser Gesellschaft. Ich, Fachfrau, diagnostiziere hiermit offiziell unserer Gesellschaft eine sexuelle Identitätsstörung! So! So und nicht anders!

Warum ich mich so ereifere? Es macht mich wütend, mit welcher unreflektierten Selbstverständlichkeit wir hier täglich Menschen verstümmeln, gesunde Körperteile amputieren, Intersexuelle zwangskastrieren, als Babies zwangsoperieren... alles nur, um nicht an unserer Erfindung der ausschließlichen Zweigeschlechtlichkeit rütteln zu lassen.

Aber nun werfe ich in meinem Eifer wieder alle in einen Topf. Das soll ich nicht. Natürlich gibt es ganz absolute Unterschiede zwischen all den vielen Erscheinungsformen von Geschlechtlichkeit. Von der bejubelten Travestiekunst über neugierig beäugten Transvestitismus zu chirurgisch interessanter Transidentität und operationsbedürftiger Intersexualität.... Und vielleicht packen wir die Homosexualität auch gleich noch dazu? Tut mir leid, ich weiß um all die Unterschiede und dennoch, eines steckt uns und euch doch allen im Kern: Die staatlich verordnete Zweigeschlechtlichkeit. Mein Mann ist ein Mann, ganz und gar, aber deshalb will er doch noch lange nicht automatisch, das alle Menschen absolute Frauen oder absolute Männer sind. Er wird regelmäßig als vermeintliche Frau gesehen, so perfekt ist sein "Passing" nicht. Er ist ein Mann, der noch immer weibliche Züge nicht ganz verbergen kann und hängt immer mal wieder zwischen denselben Stühlen wie ihr!

Auch ich komme nicht auf die Idee, mich zu schämen, eine stinknormale Biofrau zu sein, und bin trotzdem entsetzt von der brutalen Art und Weise, wie wir hier verzweifelt alles und jeden in die Mann-Frau-Schubladen zwängen. Nur, weil ich zufällig in diese Schublade passe, muss ich sie ja nicht gut finden.

Leider wissen noch immer viel zu wenige Menschen von diesen Umständen. Die meisten Leute glauben, es gäbe nun einmal nur Mann oder Frau und alles, was nicht in dieses Bild passt, ist eben gestört. Nein, so ist das nicht. Das ist eine von uns konstruierte Wirklichkeit, die nichts mit ?der Natur? zu tun hat. Die Natur ist bunt, egal wo wir hinsehen. Da wir keine Notwendigkeit sehen, alle Blumen schwarz-weiß zu lackieren, gibt es auch keine Notwendigkeit, Menschen zu eindeutigen Männern oder Frauen zu stutzen.

Und auch die Frage: "Wie oft kommt denn so was vor?" bringt uns nicht weiter. Ganz selten wird aus einem Stück Kohle ein Diamant, aber deshalb malen wir nicht alle Diamanten schwarz an und werfen sie mit der Aufforderung: "Brenne!" ins Feuer, oder? Nur weil etwas mehr oder weniger selten ist, müssen wir seine Existenz nicht zur Störung erklären. Oder ist ein Diamant eine identitätsgestörte Kohle?

In "unserem" Wald steht ein ganz krummer Baum. Niemand hat ihn bislang abgesägt oder zurechtgestutzt, um ihn zu einem ordentlichen Baum zu machen. Die Menschen betrachten ihn mit positivem Interesse: "Oh, was für ein ungewöhnlicher Baum, sehr interessant!" Warum gehen wir nicht mit besonderen Menschen um wie mit so einem krummen Baum? Positives Interesse statt Abwertung und Anpassungsdruck. Ist gar nicht so schwer. Und als hoch entwickelte Spezies werden wir das ja wohl hinkriegen.

"Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild. Er schuf ihn als Mann UND Frau"

Gott ist also intersexuell? Chirurgen, lasst die Messer stecken, wir reden von Gott, der wird nicht kastriert. Psychiater, packt die Diagnosebücher weg, Gott wird auch keine Identitätsstörung diagnostiziert. Mann und Frau sind zwei Pole einer Sache. Mann UND Frau heißt es, sind wir, nicht "Mann ODER Frau". Und zwischen zwei Polen gibt es immer eine ganze Menge Raum für Zwischentöne. Immer. Ob wir das wollen oder nicht. Wir sind die letzten, die das zu entscheiden hätten.

Wir freuen uns, dass wir uns Christen nennen können. Das ist nicht immer ganz einfach gewesen, aber heute sagen wir: "Klar sind wir Christen!". Christ sein heißt nicht, alles nur toll zu finden, was die Kirchen so veranstalten auf dieser Welt. Christ sein, heißt, als Teil dieser Gemeinschaft dafür einzutreten, dass christliche Werte verbreitet werden. Das tue ich hiermit! Gott hat meinen Mann genau so gewollt, wie er ihn gemacht hat, nämlich als Mann in einem nicht besonders typisch männlichen Körper. Gott hat sicher nicht diese schrecklichen Operationen gewollt, aber will, dass mein Mann als Mann glücklich lebt und das geht dummerweise in dieser Welt nur durch solche Operationen. Gott findet uns ganz klasse, glaube ich. Und ich finde uns auch ganz klasse.



Kirsten im Januar 2009

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
Die wuchert nämlich schon beim Hingucken, aber was glaubt Ihr, wie die wuchert, wenn Ihr wegguckt
(Hermann Prignitzer)

Antworten Zuletzt bearbeitet am 19.02.2009 11:57.

Kai

42, Männlich

Beiträge: 12

Re: Mein Mann ist ein Mann ist ein Mann!

von Kai am 20.02.2009 19:43

Liebe Kirsten,


ich finde aus Deinem Beitrag wird so toll klar, dass in unserer Gesellschaft eben viel zu viel und oft so verdammt engstirnig und scharz-weiß gedacht wird. Die Indianer waren einfach Einmalig und mit ihrer Kultur ist wohl auch ein großer Teil Menschlichkeit verloren gegangen....

Es gibt nur super wenige Dinge, wo es dieses "entweder - oder" gibt, denn meist zeigt die Natur und eben auch das Leben unzählige Facetten. Da es aber immer wieder und leider viel zu viele Menschen gibt, die eben mit dieser Vielseitigkeit und vielleicht auch Unsicherheit nicht leben können, schaffen sie Schubladen, in die sie sortieren und nach denen sie bewerten. Wer in keine dieser Schubladen passt wird eben passend gemacht oder aber kommt in die große Schublade "Freak".... Was ein Blödsinn, aber leider wohl so:#:


Hoffen wir, dass sich mal langsam etwas verändert und sorgen dafür, dass diese Engstirnigkeit immer weiter aus den Köpfen verschwindet....


Lieben Gruß, Kai

Mach mit - Welt Aids Tag 1.12.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 20.02.2009 19:57.

« zurück zum Forum