Die Vorzüge des Altwerdens kann ich nicht erkennen...

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SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Die Vorzüge des Altwerdens kann ich nicht erkennen...

von SigridEbert am 23.04.2009 00:27

Liebe Bettina, bin jetzt gerade seit vier Monaten 56 Jahre alt und habe, bevor „es“ soweit war, zum ersten Mal wirklich darüber nachgedacht wie ich das denn finde. Mein Blick in den Spiegel hat mir natürlich gezeigt, dass sich das ein oder andere verändert hat, und dass ich mich damit nicht so richtig anfreunden will, habe ich wohl auch registriert. Das mir auf der Straße die Jünglinge nicht mehr so begehrlich nachschauen ist mir auch schon mal aufgefallen. Dafür tun es mit viel Freude die „älteren Semester“ – so ändern sich die Zeiten! ;-)

Aber dann habe ich mir bei meiner Innenschau meines fortschreitenden Alters betreffend mal die Frage gestellt ob ich den wirklich bereit wäre mit einer 20 oder 30 jährigen Frau zu tauschen? Und da ist doch wirklich erstaunliches zu Tage getreten – nein, ich würde es um nichts in der Welt wollen! Denn das was mich heute aus macht, und das was ich heute erleben und leben darf, dass hätte ich als 20 oder 30 jährige Frau nicht erleben können! Einfach weil ich damals noch nicht so weit war! Und das betrifft alle Bereiche des Lebens – erst jetzt mit meinem Wissen vor allem über mich selbst kann ich Leben in einer Tiefe erfahren, die vorher nicht möglich gewesen wäre, und dass ist mir so wertvoll, dass ich es um nichts in der Welt hergeben wollte! Und auch Liebe und Sexualität hat in meinem Alter eine völlig andere und neue Dimension bekommen, die eben nur in diesem Alter mit dieser „Reife“ möglich ist. Auch das ist etwas, dass ich nicht mehr missen möchte!

Ich kann also Hans und Esther nur beipflichten – in unserem Alter gibt es eine andere, tiefere „Erlebnisfähigkeit“ und die ist mehr wert als faltenfrei zu sein und von Jünglingen begehrt zu werden! ;-) Ich will jedoch gerne zugeben, dass es eine Weile dauern kann, bis frau dahinter kommt, denn gerade wir werden ja von den Medien rund um die Uhr darüber belehrt wie wir zu „sein und auszusehen“ haben um noch wahrgenommen und begehrt zu werden! Es ist schon ein „Befreiungsschlag“ notwendig, um zu sich selbst zu finden und sich in unserem Alter neu zu definieren. Aber genau diese auftauchenden Fragen und Gedanken, die du hast, werden letztlich dazu führen:-)

Antworten Zuletzt bearbeitet am 23.04.2009 00:31.

Esther
Gelöschter Benutzer

Re: Die Vorzüge des Altwerdens kann ich nicht erkennen...

von Esther am 22.04.2009 21:50

Oh Hans - das hast du schön gesagt. Manchmal erscheinst du mir fast weise. Hast wirklich tief geblickt. Zumal ich mir erlaube, stellvertretend für viele Frauen im "fortgeschrittenen Alter" zu sagen:
Es ist gut. Es ist sehr oft besser als vorher. Das Selbstverständnis ist der beste Freund und das aus all den Jahren geschöpfte Selbstbewusstsein hat eine 1a-Qualität, spießt sich nicht an eigenen und fremden Äußerlichkeiten. Der Sex einer in die Jahre gekommenen Frau sprengt die Dimensionen der jugendlichen Aufgeregtheit. Manche Männer und Frauen wissen das.

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Hans

75, Männlich

Beiträge: 14

Re: Die Vorzüge des Altwerdens kann ich nicht erkennen...

von Hans am 21.04.2009 20:34

Liebe Bettina,

ich werd jetzt 60 und bin manchmal noch unsicher, wie ich das finde. Was meinen Körper angeht, mag ich das Altern nicht. Da bin ich allerdings selbst mit dran schuld, weil ich weder Sport mag noch das Rauchen lasse. Und eine dicke Krebsoperation (aber nix Akutes mehr) vor 10 Jahren hat mich auch nicht verjüngt ;-)

Wenn ich mich schon mal in jüngere Jahre zurückträume, zucke ich nach kurzer Zeit zusammen: Der jüngere Hans hatte zwar tolle Erlebnisse, aber der alte hat einfach den besseren Inhalt. Hab mir zwar auch schon mal vorgestellt, unter Beibehaltung meines jetzigen Wissens 18, 30 oder 40 zu sein, die Imagination verlor aber ganz schnell ihren Reiz; und zwar umso schneller, je jünger ich mich machte. Bei mehr als 10 Jahren rückwärts bekam ich das Gefühl, dass das in einer schmerzhaften Isolation enden müsste. Der Jungbrunnen funktioniert nur ganzheitlich, und der Preis wäre mir zu hoch.

Gelegentlich grantig, manchmal traurig, öfter aber auch gelassen akzeptiere ich deshalb den Vorgang. Außerdem hab ich das Gefühl, dass noch paar Abenteuer warten, die das Alter voraussetzen, sonst erlebt man sie nicht. Vielleicht ist auch das Sterben so ein Abenteuer, wenn man das Glück hat, es alt zu erleben.

Ach ja, noch was: Die Jungs, die durch dich hindurch gucken, wissen (noch) nicht, wie auf-, an- und erregend eine Frau mit 50 oder 65 sein kann. Vermutlich auch mit 70 und mehr, aber das muss ich noch herausfinden, wenn mir die Zeit bleibt :-)


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Bettina

64, Weiblich

Beiträge: 23

Die Vorzüge des Altwerdens kann ich nicht erkennen...

von Bettina am 19.04.2009 11:05

...zumindest nicht im Hinblick darauf, wie wir von anderen wahrgenommen werden. Auch wenn es so ist, dass viele Menschen mittleren Alters sich selbst als jünger aussehend als sie sind einschätzen (habe ich auf der yasni-Seite von Mario Wiegel gelesen), der Blick anderer ist in der Regel realistischer. Und das ist auch nur natürlich und in Ordnung so, nur mag ich mir das nicht so zurechtbiegen, als wäre es auch noch etwas Vorteilhaftes. Also, ich habe früher immer behauptet, ich kriege es überhaupt nicht mit, ob auf der Straße einer hinter mir herschaut. Aber wenn ich jetzt mit meiner Tochter unterwegs bin, bekomme ich sehr wohl mit, dass sie angesehen wird. Und durch mich kuckt Mann bereits hindurch als sei ich schon ausgemustert. Na, da habe ich mich selbst ertappt dabei, dass ich das dann doch nicht so toll finde.
Hierzu passend habe ich ein Sonett von Shakespeare gefunden. Er beschreibt den altersbedingten Verfall - der uns ja alle erwischt, wenn wir nicht vorher sterben - ganz ohne Beschönigung. Allerdings, seine Lösung für dieses Dilemma finde ich persönlich nun überhaupt nicht tröstlich. Er schlägt vor, rechtzeitig ein Kind zu zeugen, welches dann Schönheit im Sinne von Jugendlichkeit und sexueller Anziehungskraft weiterträgt, auch wenn man selbst es nicht mehr ist.
Hier also nun Shakespeares 2. Sonett, ins Deutsche übertragen von Martin Flörchinger:

Wenn vierzig Winter Dein Gesicht verheeren
Und tiefe Furchen in die Stirn Dir graben,
Wird Deine Schönheit, die wir jetzt verehren,
Den Wert von weggeworfnem Kehricht haben.

Wenn man dann fragt: Soll das die Anmut sein,
Die uns einst so beglückt in frohen Tagen,
Der eingefallnen Augen trüber Schein?
Das wäre Schand' und Spott - nicht zu ertragen!

Du hättst von Deiner Schönheit mehr Gewinn,
Könntest Du sagen: Hier, mein zarter Erbe
Macht alles gut, verdeckt, was ich jetzt bin,
Die Schönheit bleibt, auch wenn ich selber sterbe.

Du bliebest jung, und wärst Du noch so alt,
Dein Blut ränn' warm - und schien Dir's noch so kalt.

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