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Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Re: Dummheit tolerieren?

von Kirsten am 29.03.2009 22:27

:lol:

Lieber Hans :)

"Schätzelein" ist ja auch nur Stufe 1. Die Steigerung ist: "Kleines" :lol: Das hab ich aber erst einmal benutzt.
Es gibt auch noch: "Mausi" und "Hasilein", aber soooo gemein war ich noch nie ...
Langsam könnte ich auch schon "Kindchen" benutzen in meinem Alter... hach, wieder ein Grund, warum älter werden cool ist *Jippie*

Ironie kann ich auch, aber die muss natürlich auch verstanden werden, um zu wirken. Das hätte in diesem Fall nicht hingehauen. :#:

Und das IST natürlich notwendige Psychohygiene - was auch sonst. :rolleyes: Ich bin ja nicht wirklich bösartig... höchstens ein bisschen:evil:

Lieben Gruß

Kirsten




Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
Die wuchert nämlich schon beim Hingucken, aber was glaubt Ihr, wie die wuchert, wenn Ihr wegguckt
(Hermann Prignitzer)

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Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Dummheit tolerieren?

von Kirsten am 29.03.2009 21:05

Hallöchen :)

Jaaaa, das ist wieder ne provokante Überschrift *g*

Grad passierte mir in einem Forum Folgendes: Eine eher einfach strukturierte Person bezeichnete meine Aussagen als "Blödsinn" und fragte, wie ein "normaler Mensch" so etwas schreiben kann, wie ich es getan hatte.
Ich weiß, dass die Frau dumm ist. Ich finde das eigentlich auch nicht schlimm und reagierte die letzen 100 Male, an denen sie mich ähnlich beleidigte, einfach mit einem milden Lächeln und Ignoranz.
Aber heute nicht. Heute ist Sonntag, die Sonne schien, ich hatte was besonders Kluges geschrieben und fühlte mich ernsthaft beleidigt. Passiert selten, aber kommt vor. Also habe ich in Kirsten-Manier zurückgeschlagen und sie in meiner betont sachlichen, erklärenden Antwort "Schätzelein" genannt. :D Natürlich um Sie zu ärgern:evil: Ich finde, ich darf sowas auch mal... ich bin ja auch nur ein Mensch.
Jetzt krieg ICH Mecker von der Moderatorin... ICH sei ja schließlich klug und selbstbewusst und stark und rhetorisch geschickt und hätte nicht "Schätzelein" schreiben dürfen. *umfall*
DIE TRULLA darf meine Aussagen "Blödsinn" schimpfen und meine "Normalität" anzweifeln (was ich natürlich eigentlich als Kompliment werte) und ich darf als Reaktion nicht "Schätzelein" zu ihr sagen? Weil ich klug bin und die doof? Boah...

Neee, das ist ungerecht. Dummheit entschuldigt wohl alles und die Klugen müssen sich alles bieten lassen?

Passt das eigentlich grad hier ins Thema? Na ja, ich musste es mal unter "Klugen" loswerden *g*

Lieben Gruß

Kirsten

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
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(Hermann Prignitzer)

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Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 21.03.2009 12:12

Tiefdunkle Nacht, ich dreh mit einer Praktikantin mal noch ne Runde draußen und wir gehen auch die Sicherheitsboxen mal ab, um nach dem Rechten zu sehen. Eine laue Sommernacht, fast alle Boxen sind belegt. Natürlich sind wir diskret, schauen nur kurz aus dem Augenwinkel, ob uns etwas Ungewöhnliches auffällt. Wir sind leise, lassen die Taschenlampe aus, um niemanden zu stören. Da steht doch tatsächlich ein hutzeliges Kerlchen in einer Box, glotzt durch ein Loch in der Holzwand in die Nachbarbox und holt sich grade lustig einen runter. Solche Spanner sind ganz schlecht. Die Freier mögen das nicht, haben Angst, heimlich gefilmt zu werden, erpresst zu werden ect. Wenn die Freier die Boxen meiden, wird es gefährlich für die frauen, denn die Alternative zu den Boxen ist das Industriegebiet, weitläufig, dunkel und sehr einsam. Also mögen wir keine Spanner. Sie schaden dem Strich und damit den Frauen.
Taschenlampe an, mitten ins Gesicht vom Hutzelmännchen, Handy wählbereit in der anderen Hand, verwandle ich mich in eine uneinnehmbare Festung: Psycho-Kirsten, die Rächerin der gestörten Huren! Feste, laute Stimme dröhnt aus meinem zarten Munde:
"Guten Abend, junger Mann. Schröder mein Name, Stadt Dortmund. Darf ich mal fragen, was sie da gerade tun?"
"Wer? Ich?" fragt er zurück und fummelt sein Ding wieder in die Hose.
"Ja, sie. Ihre Papiere bitte!"
"Wer, ich?"
"Drücke ich mich sehr undeutlich aus? Ich möchte jetzt ihren Personalausweise sehen. Jetzt sofort!" (Die Praktikantin in meinem Rücken kichert leise. Ich hoffe, dass Hutzelmännchen das nicht hört)
"ich habe nichts gemacht, nur Pipi... " Sehr kleines Piepsstimmchen und er gibt mir tatsächlich seinen Personalausweis. Ab jetzt fühle ich mich sicher. Jetzt wird er mir nichts mehr tun. Ich stecke seinen Ausweis in meine Tasche.
"Aha, nur Pipi? Wo denn? Ich sehe kein Pipi. Ich habe aber etwas anderes gesehen. Ich werde jetzt die Kollegen von der Polizei rufen, sie warten hier."
Oh jeh, mit der folgenden Reaktion habe ich nicht gerechnet.
"Polizei? Neeeiiin, biiiiieeeette biiieeette keine Polizei, ich habe nichts getan, biiiieeete, biiieeette!" Der Mann fällt tasächlich vor mir auf die Knie und Tränen laufen über sein Gesicht.
Ach du Scheiße. Was habe ich getan? Der arme Kerl hat nen Nervenzusammenbruch vor Angst und Panik.
Meine Stimmung schlägt sofort um.
"Warum machen Sie denn sowas, Mensch? Die Frauen finden das nicht lustig. Wenn Sie Sex wollen, dann gehen sie doch selbst zu einer der Frauen. Oder wollen Sie dafür kein Geld ausgeben?"
"Doch, doch, ich will ja, ich will ja... aber ich habe Angst, Angst Frau anzusprechen... ich weiß doch nicht, ich will doch nichts böses...." stottert er.

Okay, alles klar. ich drücke ihm seinen Ausweis wieder in die Hand und ein Taschentuch für die Tränen.

"Sie wollen Sex, aber trauen sich nicht, eine der Frauen anzusprechen? Deshalb spannen sie hier in der Box?"
Kleinlaut, schluchzend: "ja."
"Haben Sie denn Geld dabei?"
"Ja." (fragender Unterton)
"Okay, folgen sie mir."

Ich geh mit ihm im Schlepptau einmal quer über die Straße. Da steht Hannelore. Gelernte Friseurin, seit 40 Jahren Prostituierte mit perfekter Dauerwelle. Mutti-Typ, sehr erfahren. "Hi, Hannelore. Guck mal, dieser Freier hier. Hat Angst vor Frauen und spannt deswegen. Hab ihn grad erwischt. Er sagt, er hat Geld dabei aber traut sich nicht, ne Frau anzusprechen. Darf ich den mal bei dir hier abladen?" (Ich zwinkere ihr zu)
"na aber sischer datt.... komm ma her, Jungchen, datt kriegen wir schon hin. Biss ja ganz von Rolle, wa? War se sehr böse zu dir, die Kirsten? Die kann abba auch biestig sein, ich weiß datt. Komm her, ich bin die Hannelore. Wie heißt du denn?....."

Ich habe eine sexuelle Dienstleistung vermittelt. Dafür kann ich richtig einen dran kriegen.
Aber ist nur ne erfundene Geschichte. ;) Wenn sie wahr wäre, wäre ich ja schön blöde, sie zu veröffentlichen und meinen Job und eine Anzeige zu riskieren.

Feierabend.






Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
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Antworten Zuletzt bearbeitet am 21.03.2009 13:18.

Kirsten

59, Weiblich

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Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 21.03.2009 11:22

Schwingenden Schrittes , ein bisschen raubtierartig, kommt Heidi angeschlendert. Heidi ist irgendwas zwischen 40 und 50 und seitJ ahrzehnten als Psychotikerin diagnostiziert. Ihr Leben teilt sich in Abschnitte innerhalb und außerhalb der Psychiatrie. Jetzt ist mal wieder draußen dran und draußen ist ihr Hobby der Straßenstrich.

"Heeey! Heid! Altes Haus, welch Glanz in unserer alten Hütte!" Breites Grinsen: "Hey, Psycho, wie gehts wie stehts?"
"Alles wie immer, kennste ja, und selbst?"
"Ja, geht so, ne... die Pillen lass ich grad mal weg, die Stimmen werden zwar doller, aber egal. Kennst mich ja, komm ich mit klar" Sie zwinkert mir zu. Wir kennen uns, ja. Dieser joviale Umgangton ist der einzige, der mich Kontakt zu Heidi aufnehmen lässt. Als "Psycho" gehöre ich in Heidis Welt eigentlich in die große Gruppe der machtvollen, bösartigen Psychiater und Psychologen, aber sie gesteht mir eine besondere Rolle zu, weil ich ihre "Strich-Psycho" bin. Glück gehabt. Die anderen Kollegen werden auch schon mal mit Waffen von ihr angegriffen... Heidi trägt viel Wut mit sich herum.

"Na, will ma gucken ob ich hier heute was zu laufen kriege. hab grad schon einen echten Schnuckel gesehen, son Anzugfuzzi, weißte?" Zwinkert wieder. "Gib mal nen schnellen Kaffee, aber im Pappbecher, ich trink den draußen... nicht, dass mir der Jüngling noch verloren geht" Zwinker. Ich gebe ihr Kaffee und ein paar Kondome. "Bis später mal Psycho!" tänzelt sie wieder raus. Ich rufe ihr noch nach: "Pass auf Dich auf, Schätzchen!"

Heidi ist keine Prostituierte, Heidi will möglichst viel Sex mit möglichst vielen verschiedenen Männern in möglichst kurzer Zeit. Wenn sie ganz gut drauf ist, bezahlt sie auch schon mal den Mann anschließend. (Der dann ausgesprochen verwirrt ist, was mich immer sehr belustigt). Heidi mag ich sehr.

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
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Antworten Zuletzt bearbeitet am 21.03.2009 11:26.

Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 21.03.2009 10:54

Lieber Kai :)

Haben wir mal wieder gleichzeitig gepostet... das kommt bei uns ja öfter vor ;)

Ja, ich denke, wir werden weiter finanziert. Aber eben deshalb, weil wir gut aufpassen, was wir wann wo wie sagen. Die ganz hohe Kunst der Diplomatie ist gefragt. Immerhin, wir kriegen wohl tatsächlich bald einen neuen Container und vielleicht kriegen wir tatsächlich etwas Geld für Dolmetscher. Es sieht also eher gut aus. Nur auch dafür haben wir oft die Klappe gehalten oder eben in anderen Momenten aufgemacht.

Und diese Zerrissenheit geht auch schnell auf jede einzelne von uns über. Ich bin manchmal so böse und würde die Frauen aus Bulgarien gerne wegschicken können. Voll Ausländerfeindlich kann ich sein. Einige Frauen würde ich am liebsten gegen ihren Willen erstmal in eine Einrichtung unterbringen, ihnen ihr Geld verwalten, sie "entmündigen". Manch eine würde ich gerne anzeigen bei der Polizei und sie unter Druck dazu bringen, auszupacken, um Hintermänner des organisierten Verbrechens dingfest zu machen. Und dann gibts wieder Momente, da würde ich eine Frau am liebsten einpacken, mit nach Hause nehmen, ihr ein Bad einlassen und das Gästesofa beziehen und ein warmes Essen machen....

Na ja, das mach ich alles nicht und ich krieg mich wieder ein. Bin ja Profi ;) Lösungen gehen anders.

Lieben Gruß

Kirsten

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
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Kirsten

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Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 21.03.2009 10:37

Liebe Bettina :)

Danke :) Du hast das sehr schön geschrieben. Ich hatte gehofft, dass die Geschichten so aufgenommen werden :)


Diese realen Geschichten will niemand veröffentlicht wissen. Die Politik, Frauengruppen und diverse Hilfsorganisationen wollen Prostituierte ausschließlich als Opfer sehen, was sie dazu bringt, die Prostitution an sich zu bekämpfen und abschaffen zu wollen. Dass es Frauen gibt, die sich ganz bewusst für diesen Beruf entscheiden und die womöglich nicht mehr darunter leiden, als eine Bäckerin, die lieber lange ausschlafen möchte, das will dort (fast) niemand hören.

Die Hurenselbsthilfeorganisationen beharren darauf, dass es ausschließlich selbstbewusste und selbstbestimmte Prostituierte gibt. Alle anderen sind seltene Ausnahmeerscheinungen und eigentlich keine echten Huren.

Zwischen diesen Stühlen sitzt man, wenn man mit Straßenprostituierten arbeitet. Wir kennen beide Seiten und haben wesentlich mehr Frauen, die dort aus Not arbeiten und viel lieber etwas anderes machen würden, als selbstbestimmte, selbstbewusste Frauen, aber die haben wir eben auch. Also immer, wenn wir den Mund aufmachen, bringen wir eigentlich alle Seiten gegen uns auf.

Und was passiert beim braven Durchschnittsbürger, wenn er meine Geschichten liest? Er wird eine schnelle Lösung suchen und sie in der Idee finden, Prostitution abzuschaffen, zu reglementieren, strengere Strafen zu fordern, womöglich die EU-Erweiterung zurücknehmen zu wollen, usw. Das würde dazu führen, dass die Frauen weiterhin ausgenommen werden, nur dann viel mehr im Verborgenen, im Kriminellen, und niemand hätte mehr so einen Zugang in die Szene wie wir jetzt.
Hier ist es klein und fein, Bettina, hier sucht niemand die schnellen Lösungen, deshalb traue ich mich hier, diese Geschichten zu erzählen.
Ich hätte Angst davor, was passiert, wenn die Masse da draußen diese beinahe unerträgliche Realität erkennen würde.

Lieben Gruß

Kirsten

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Kirsten

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Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 21.03.2009 01:03

Silke ist im Ausstiegsprogramm. In der begleitenden Therapie erfahre ich ihre Geschichte.
Seit dem achten Lebensjahr vom Stiefvater missbraucht. Mehrmals pro Woche.
Mit 12 versucht sie, sich der Mutter anzuvertrauen. Die sagt, sie soll nicht solche Lügengeschichten erfinden.
Ihre 5 Jahre jüngere Schwester ist oft im Zimmer anwesend. Silke ist dann ganz still, damit die Kleine keine Angst bekommt.
Mit 17 zieht Silke zu einem Freund. Der ist 28. Sie zeigt den Stiefvater an.
Die Mutter verweigert die Aussage. Der Stiefvater widerspricht den Vorwürfen. Nur die Aussage der kleinen Schwester macht eine Verurteilung möglich. 8 Jahre Knast.
Die Mutter glaubt es immer noch nicht, bricht den Kontakt ab, unterstellt, Silke habe die kleine Schwester zu der Aussage erpresst.
Sikes Schwester stirbt auf dem Schulweg bei einem Autounfall. Silke glaubt an einen Racheakt, den der Stiefvater aus dem Knast heraus organisiert hat. Offiziell war es ein Verkehrsunfall. Sile hat Panik, zieht alle paar Monate um, bricht die Lehre ab, landet in der Prostitution.
Ein jahr später ein Anruf von der Mutter: Sie hat Krebs, nur noch Monate zu leben. Silke zieht zur Mutter, pflegt sie 6 Monate lang bis zum Ende, geht weiter anschaffen.
Lernt diesen super netten Mann kennen. Große Liebe. Endlich etwas Glück im Leben.
Der nette junge Mann wird eines Tages festgenommen. Zuhälterei in mehreren Fällen und Vergewaltigung einer Minderjährigen um sie zur Prostitution zu zwingen. Silke glaubt an eine Verschwörung. Er ist natürlich völlig unschuldig. Vor Gericht gibt sie ihm ein Alibi für die Tatzeit.
Mehrere Zeugenaussagen überführen den jungen mann trotzdem. 6 Jahre ist das Urteil.
Silke ist überzeugt, er sitzt unschuldig. Aber, sie will nicht mehr anschaffen gehen. Wenn er wieder raus kommt, will sie mit ihm zusammen ein solides Leben führen.
Silke möchte eine Lehre machen. Friseurin würde ihr gefallen. Zur Zeit bekommt sie Hartz 4. Sie kommt gut klar. Nur, dass sie keine Freunde hat, macht ihr zu schaffen. Alle Leute, die sie kennt, sind aus der Szene. Die Kontakte hat sie abgebrochen.
Ich bin zuversichtlich, dass Silke es schafft.


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Kirsten

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Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 21.03.2009 00:48

Mary ist 22 Jahre alt. Sie geht schon seit 6 Jahren anschaffen. Auf eigene Tasche- das meint: Ohne Zuhälter, aus freiem Willen.
Irgendwann sitze ich dabei, als Mary von "Ihrem" (=Zuhälter) spricht. Unprfessionell halte ich mein Entsetzen nicht zurück: "Mary, DU hast einen Zuhälter? DU? Wieso das denn?"
"Ach Kirsten, ich will wenigstens das Gefühl haben, nicht alleine zu sein in der Welt" sagt sie und sieht mich aus uralten Augen an.

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Kirsten

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Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 21.03.2009 00:08

Kindergarten

Fünf Jahre ist es her, da waren sie plötzlich da. 5 sehr junge Mädchen, eine eingeschworene Gruppe. Eine Wohngruppe, betreut vom Jugendamt. Alle zusammen entdeckten das Abenteuer Straßenstrich. Cool! Sie waren ja so jung und so hübsch und sie gierten nach Anerkennung. Und die Fahrer der unzähligen Autos hielten alle an. Alle wollten nur noch sie, die jungen, die unverbrauchten, die fröhlichen jungen Mädels. Wir nannten sie "unseren Kindergarten". Sie brachten frischen Wind, die Bravo und Schminktipps und immer die neusten Hits für unseren CD-Player. So viel war nie gelacht worden in unserem Conatiner. Kindergarten eben.
Mehrmal täglich sammelte die Polizei die Mädchen ein und brachte sie nach Hause. Der Rekord waren 10 Minuten. nach 10 bis 20 Minuten waren sie nämlich wieder da. Minderjährige dürfen sich nicht prostituieren. Aber wie soll man sie davon abhalten, wenn man sie nicht einsperren darf?
Der Absturz war vorhersehbar. Nette, coole Typen mit Goldkettchen tauchten auf. Sie hatten ganz lustige Sachen dabei, alle Sorten von Drogen, die es gibt. Das war ja alles so lustig. Und man hatte ja Geld, mehr als alle anderen. Geld und Spaß und coole Typen mit coolen Autos und Drogen... das Leben war einfach nur schön.
5 Jahre ist das her. Zwei von Fünf sind noch da, gehen tapfer für Mr. Goldkettchen anschaffen. Die Kripo ist schwer hinter Mr. Goldkettchen her, aber keine sagt etwas böses über ihn. Er ist eben ein netter Kerl.
Eine war mit 15 in ein geschlossenes Heim gekommen, weil sie schwanger war und eine Kindesgefährdung verhindert werden sollte. Die zwei anderen haben wir lange nicht gesehen. Ob sie noch leben?

Wir konnten nichts tun. Nichts. Nur zusehen.

Cherry sagt: "Kirsten, warte ab. Eines Tages hör ich hier auf, dann werd ich solide. Du wirst schon sehen! Ich schaff das! Nächstes Jahr. Dann komm ich zu dir und sag: Jetzt will ich hier raus! Und dann mach ich Abitur auf ner Abendschule und so. Du wirst schon sehen!"
"Abgemacht, Cherry!" sag ich und geb ihr noch ne Handvoll Kondome mit auf den Weg. Die Nacht ist noch lang.

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Kirsten

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Re: Geschichten vom Strich

von Kirsten am 20.03.2009 23:44

Danny hat sich die lange Lockenpracht frisch gefärbt. Feuerrot.
"Guck ma, Kirsten, habbich neu gefärbt, ne? Musste mal wieder sein, ne? Aber sieht doch gut aus? Sieht doch gut aus so? Is besser jetzt, ne? Besser als vorher, ne? Oder, Kirsten?"
Alles an Danny, ihr Blick, ihre Gestik, ihre Körperhaltung, schreit nach Akzeptanz, vielleicht sogar Anerkennung, vielleicht sogar ein winziges Kompliment?
"Ja, schön, Danny. Richtig feuerrot! Das lodert bestimmt richtig, wenn die Sonne scheint, stimmts?"
Danny strahlt. Sie entspannt sich, lehnt sich zurück und nippt an ihrem Kaffee, nicht ohne sich noch einmal durch die langen Haare zu streichen.
Danny arbeitet für einen Mann, den sie liebt. Er hat noch eine zweite Frau. Jünger, hübscher. Die arbeitet auch für ihn. Mit ihr wohnt er zusammen. Mit ihr und den zwei gemeinsamen Kindern. Und dem Sohn von Danny. Der Älteste, schon 12 jahre alt. Der gemeinsame Sohn von Danny und dem Mann, den sie liebt. Das ist schon lange so. Danny braucht Anerkennung, Akzeptanz, wenigstens das Gefühl, gesehen zu werden. Er sieht sie nur, wenn sie Geld bringt. Also bringt sie Geld. Das wird sie tun, solange sie Geld auf dem Strich verdienen kann.
Vor vielen Jahren war der Mann mit seiner neuen, jungen Frau, ausgegangen. Danny hatte auf die Kinder aufgepasst. Ein Feuer brach aus. Danny konnte drei Kinder und sich retten. Ein viertes Kind hatte sie nicht tragen können. Die Feuerwehr musste sie mit Gewalt davon abhalten, sich erneut in die Flammen zu stürzen. Das Kind ist schwerstbehindert, lebt in einem Heim. Niemals werden der Mann und seine neue Frau Danny dies verzeihen. Und Danny sich selbst auch nicht. Sie wird Ihnen auch in 20 Jahren noch Geld bringen und jeden Tag darauf hoffen, dass eine von uns etwas Nettes zu ihr sagt.
Ich sage "Pumuckel" zu ihr. Dann lacht sie jedesmal.

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
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