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Prignitzer43
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Das Bereitsein zur Toleranz - erlernbar? lehrbar?

von Prignitzer43 am 14.06.2009 03:30

Das Bereitsein zur Toleranz – erlernbar? lehrbar?

Oder

Wem’s nicht gegeben ist, dem ist nicht beizukommen?



Tja, zuweilen bin ich, geht’s um das Bereitsein eines Menschen zur Toleranz, ratlos.

Ein paar Gedanken nach nicht wenigen Erfahrungen in nicht gerade wenigen sehr bewusst durchwanderten Lebensjahren:

Es gibt massenhaft Menschen, die sind partout nicht tolerant. Kann ich machen was ich will, die sind zur Toleranz nicht bereit. Oder nicht fähig?
Wie also steht es mit dem Bereitsein zur Toleranz? Ist es dem einen Menschen gegeben, und dem anderen ist es womöglich nicht gegeben? – Mitunter habe ich den Eindruck: Einem intoleranten Menschen ist nicht beizukommen. Oder in Abwandlung eines Goethe-Worts: Dieser oder jener Mensch fühlt ihn nicht, den Willen zur Toleranz, also wird er ihn nicht erjagen.

Intoleranz ist ja mehrheitlich, wenn nicht gar immer irrational. Der Intolerante behauptet etwas. Gründe für seine Behauptung nennt er in aller Regel nicht; und nennt er welche, sind sie meist leicht zu entkräften, und dann sagt der Intolerante (habe dies oft erlebt): „Ja, ja, aber trotzdem...“, weil in diesem betreffenden Menschen eine Sperre nicht aufgeht. Kann ihm einer sagen, was er will; kann er hören, was auch immer... ihm geht kein Licht auf.- Toleranzvermögen davon abhängig, was ein Mensch von Geburt an solchem Vermögen mitgekriegt hat? Also: Der eine Mensch ist halt so, der andere halt so beschaffen, was sein Vermögen angeht, tolerant zu sein? – Kein angenehmer Gedanke, aber womöglich die Erklärung, dass es bezüglich so manchen Appells zur Toleranz aus dem sprichwörtlichen Wald nicht herausschallt, wie man in denselben hineingerufen hat.

Dazu ganz was Persönliches: Oft wird behauptet, dass eines Menschen Fähigkeit zur Toleranz halt davon abhinge, wie der betreffende Mensch wo aufgewachsen ist. Das Milieu mache es, was in Sachen Tolerantsein-Können aus jemandem wird. – Ich sage, das kann sein, aber eine Gesetzmäßigkeit obliegt dem nicht, denn obläge dem eine Gesetzmäßigkeit, säße ich jetzt nicht am Laptop und schriebe diesen Beitrag. Mein familiäres Umfeld, in dem ich aufgewachsen bin, habe ich literarisch in dem Monolog einer Mutter, den ich mit LAMENTO überschrieb, geradezu akribisch dokumentiert. (Yasni-Mitglieder, die mein Yasni-Profil angeschaut haben, kennen ihn vermutlich; wer ihn nicht kennt, hier ist er nachzulesen: http://www.hermann-w-prignitzer.de/Lamento.pdf) - Ich müsste, wenn es um Toleranz geht, der Intolerantesten einer sein. Womit ich jetzt nicht sagen will, wunder wie tolerant bin, aber würde ich mich nicht wenigstens um Toleranz bemühen, gäbe es weder diesen Beitrag, noch diese Community insgesamt, und meine Herkunftsfamilie, lebte davon noch wer, die würde mich allein schon dieser Community-Gründung wegen für „abartig“ halten und deshalb in der Öffentlichkeit verleugnen. – Keine Übertreibung! Und wenn man zu dem Milieu, von dem jemand angeblich geprägt wird, auch das gesellschaftliche Umfeld (Nachbarn, Schule, Staat) hinzurechnet, dann wäre einer wie ich, der in den 50er Jahren in der DDR aufgewachsen ist, vielmals entschuldigt, wäre er intolerant. Intoleranz war der DDR staatserhaltendes Prinzip, und das übrigens nicht nur in ihrem ersten Jahrzehnt, auch noch im letzten, dem vierten.

Zurück zu meiner Ausgangsfrage: Hat halt der eine Mensch die Toleranzbereitschaft, das Toleranzvermögen, das Tolerantsein-Können in sich, und ein anderer hat so was halt nicht in sich, der fühlt es nicht, also keine Aussicht, dass er es erjagt? – Ich schreib’ es hier unumwunden hin: Mitunter beschleicht mich der Verdacht, in vielen Menschen ist der Acker, in dem man das Samenkorn Toleranzfähigkeit legen könnte, nicht nur zubetoniert, sondern: der Acker ist ihnen von Geburt nicht zuteil geworden. Die können diesbezüglich nichts lernen, die kann man diesbezüglich nichts lehren.

Alles Fragen. Und die stelle ich hier, weil ich mitunter arg, arg ratlos bin.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 14.06.2009 04:11.

SigridEbert

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Re: Darf das denn sein?

von SigridEbert am 21.05.2009 20:07

Lieber Hermann,

ich bin sprachlos – habe noch nie und nirgends eine so auf den Punkt gebrachte Zusammenfassung zum Thema "Toleranz" gelesen!

Es gibt nichts dass ich hinzufügen oder anmerken wollte, weil - es ist alles gesagt!

Ich kann nur sagen:

1. JA!
2. JA!
3. JA!
4. JA!
5. JA und nochmals JA!

Hermann, für diesen Beitrag liebe ich dich, DANKE!

Deine Schülerin

Sigrid

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Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Re: Umpolung - Immer wieder ein Thema

von Kirsten am 21.05.2009 14:36

So...

Ich hab jetzt mal ein bisschen weiter recherchiert und bin entsetzt. Nein, meine ersten Gedanken zum Thema an sich hatten mit den unsäglichen Äußerungen dieser homophoben Reparationstherapeuten rein gar nichts zu tun.

Auf Yasni fand ich dann noch ein Profil mit Links zu einer Unterschriftenliste FÜR diesen Kongress.... da hab ich mich dann mal in meinem Profil ausgetobt.



Lieben Gruß

Kirsten

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
Die wuchert nämlich schon beim Hingucken, aber was glaubt Ihr, wie die wuchert, wenn Ihr wegguckt
(Hermann Prignitzer)

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Prignitzer43
Administrator

80, Männlich

Beiträge: 35

Darf das denn sein?

von Prignitzer43 am 21.05.2009 02:57

Darf das denn sein?
oder
Wie ich zur Toleranz finde

Nun ja, wie alle, die mit rundum wachen Sinnen durch den Alltag gehen, frage ich mich alle naselang, ob dies oder das denn sein darf. Darf es das geben? Und wenn es das nun schon gibt, darf ich es stehen lassen, gehen lassen? Oder sollte ich dagegen angehen? – Mit anderen Worten: Wann muss ich Toleranz aufbringen? Und wo habe ich zu sagen: „Bis hierher und nicht weiter!“ (Was durchaus nicht etwa das Gegenteil von Toleranz, also intolerant sein muss.)

1.
Die Entscheidung für oder wider die Toleranz ist für mich keine Ermessensfrage, jedenfalls nicht in dem landläufigen Sinne, dass ich eine solche Entscheidung meinem Gutdünken anheimstelle. Täte ich es, machte ich mich zum Maß aller Dinge, gehörte also zu den Menschen, die immer von sich auf andere schließen, und dann wäre es um meine Toleranz unter Umständen arg mäßig bestellt.

2.
Meine Toleranz möchte ich keineswegs abhängig machen von meinem mal mehr, mal wenig ausgeprägten Empathievermögen sowie von meiner wie auch immer gearteten Sensibilität. Vor solchen unwägbaren, oft meiner Tagesform geschuldeten und damit nie und nimmer verlässlichen Größen hüte ich mich, so gut ich es vermag. Gefordert ist einzig mein Nachdenken und mein Informiertsein, und selbst wenn ich nebenher tatsächlich Gefühle gelten lasse, dann bitte nur die, die Bert Brecht einmal die durchs Denken gereinigten genannt hat. Ich muss bewusst tolerant sein, ich muss wissen, warum ich tolerant bin, ich muss auf Grund von Argumenten tolerant sein, sonst bin ich nicht verlässlich tolerant. Sonst klappt es mal, und mal klappt es nicht.

3.
Für tolerant halte ich mich erst dann, wenn ich gelten lasse, was ich nicht nachvollziehen, nicht nachfühlen, nicht nachempfinden kann, oder/und was ich (aus welchen persönlichen Gründen auch immer) niemals tun würde, was aber, bedenke ich es recht, niemandem schadet; keinem Menschen, keiner anderen Kreatur und der Natur insgesamt nicht. Und daraus folgt für mich:

4.
Das Ausmaß meiner Toleranz oder die Höhe meiner Toleranzschwelle ist abhängig von meinem jeweiligen Wissensstand um Mensch, Kreatur, Natur. Mein Toleranzvermögen ist also keine konstante Größe. Das heißt, was ich gestern meinte, nicht hinnehmen zu dürfen, kann ich heute eventuell sehr wohl stehen lassen können, weil ich heute kundiger bin als gestern. Und das heißt umgekehrt, was ich gestern noch habe durchgehen lassen, von dem weiß ich womöglich heute, dass ich das nicht auf sich beruhen lassen darf, und dann lasse ich es auch nicht mehr auf sich beruhen. Tolerantsein ist für mich das, was man in der Kunst ein: „Work in progress“ (eine laufende Arbeit) nennt; ein unvollendetes Werk, das laufend fortgeschrieben wird und oft ohne die Absicht daherkommt, je vollendet zu werden. Das heißt: Bin ich bestrebt, tolerant sein zu wollen, habe ich mich einem Bestreben verpflichtet, das, solange ich des Nachdenkens und des Mich-Informierens fähig und willens bin, nie an sein Ende kommt. Tolerant kann ich nur sein, wenn ich mein Toleranzbestreben als nimmer endenden Prozess verstehe. Ich muss wissen, dass die Höhe meiner Toleranzschwelle stets und ständig eine vorläufige ist. In dem Moment, in dem ich sie als ein- für allemal gegeben ansehe, öffne ich meinem Intoleranzpotential Tor und Tür, anstatt immer erneut meinem Toleranzvermögen neue Tore, neue Türen aufzustoßen... Work in progress, Vollendung ein Unding; nur der Arrogante, dadurch Ignorante, hält sein Toleranzvermögen für erschöpfend ausgelotet.


5.
Mein Toleranz beziehe ich übrigens von vornherein nicht aus der Sozialisation, der ich anheimgefallen, nicht aus dem Kulturkreis, in den ich hineingeboren worden bin, denn Toleranz ist für mich ein Synonym für Humanität, und Humanität halte ich nicht für teilbar durch sogenannte Werte und Normen, resultierend aus Sozialisations- und Kulturkreisgeboten und -verboten. Ich werde mich hüten, aus der Sozialisation heraus, die ich über mich hab’ ergehen lassen müssen, meine Entscheidungen für oder wider die Toleranz zu treffen. Denn hütete ich mich nicht davor, entmündigte ich mich selbst, weil ich es unterließe, mich meines eigenen Verstandes zu bedienen (den uns beispielsweise Immanuel Kant eindringlich ans Herz gelegt hat). Wer sich auf seine Sozialisierung beruft, indem er ihr sein Toleranzvermögen oder –unvermögen zuschreibt, ist zu faul oder zu feige nachzudenken, zumal Sozialisation keine absolute, sondern eine relative Größe ist; beruht sie doch stets auf gesellschaftlichen Übereinkünften, und solche Übereinkünfte sind immer historisch bedingte und damit auch immer endliche Übereinkünfte. Daher hat der Mensch sehr wohl die Freiheit, diese Übereinkünfte beiseite zu lassen, wenn er erkennt, dass sie der Humanität nicht oder nicht mehr förderlich sind. Und was die sogenannten Kulturkreise angeht: sie beruhen doch wohl allesamt auf religiösen Fundamenten. Und Religion, welche auch immer, ist Glaube an etwas, nicht Wissen von etwas. Auch wenn Millionen Gläubige aller Religionen ihren Glauben lautstark und nicht selten eifernd geifernd als Wissen/Gewissheit ausgeben, ändert es nichts daran, dass sie absolut nichts wissen, und wenn sie dennoch aus diesem Nicht-Wissen (Unwissen) Gesetze fürs gesellschaftliche Leben abzuleiten die Macht haben, erstirbt jede Toleranz über kurz oder lang in Kreuzzügen oder Heiligen Kriegen. Glaube, als Wissen ausgegeben, ist der Toleranz ärgster Feind seit je, denn der Gläubigen hassenswerteste Gegenüber, geben die Gläubigen ihren Glauben als Wissen aus, ist der Verstand und wer sich seiner bedient. Aber nur wer sich seiner bedient, findet zur Toleranz, auf die sich der Mensch, der der Toleranz bedarf, verlassen kann. Und zwar jeder Mensch, egal, aus welchem Kulturkreis er stammt. Andersherum darf kein Mensch erwarten, aus welchem Kulturkreis er auch immer stammt, dass der Verstand (im Kant’schen Sinne) sich irgendeinem religiösen Glauben, fußend auf sogenannten heiligen Schriften, unterordnet und also gutheißt, was nicht gut ist. So gibt es beispielsweise in den Menschenhand- oder richtiger: Männerhandschriften Thora, Neues Testament, Koran eine Vielzahl die Menschenwürde (meist die Frauenwürde) mit Füßen tretende Aussagen. Ich, im sogenannten christlichen Abendland gezeugt, würde nicht einmal die Zehn Gebote blindlings unterschreiben, nicht einmal das absolute „Du sollst nicht töten“ (sonst müsste ich ja auch jene Menschen verdammen, die Hitler töten wollten), und die sogenannte Bergpredigt des Jeshua von Nazaret(h) lasse ich ebenfalls nicht blindlings passieren. Ganz zu schweigen von den Aussagen des eigentlichen Religionsstifters „Christentum“, nämlich des Fanatikers Paulus. Dessen Auslassungen sind für einen, der seinen Verstand nicht an der Kirchentür abzugeben die Lust hat, zum nicht geringen Teil zum Gänsehaut-Kriegen. Vielleicht nicht aus der Zeit heraus, in der der Herr Paulus sie den Gemeinden in Rom, Korinth, Ephesus ans Herz gelegt hat, aber wer dessen Briefe heutzutage noch dem geheiligten, also dem angeblich von Gott diktierten Kanon zuschreibt, versündigt sich an der Humanität. Womit ich nur sagen möchte, wir müssen im sogenannten christlichen Abendland nicht bis in die von einem gewissen Mohammed aufgezeichneten Tiefen und Untiefen des Koran hinabsteigen, um zu wissen, wie sehr ein Glaube, eine Religion, eine Ideologie der Intoleranz und damit der Inhumanität Tür und Tor öffnet. Glaube, in welcher Daherkommensweise auch immer, schiebt stets dem Nachdenken und damit dem Wissenwollen an irgendeiner Stelle den Riegel vor. Jeder Glaube sagt dem Verstand irgendwann: „Bis hierher und nicht weiter!“ Jeder Glaube nimmt irgendwann dem Verstand seine Würde. Und das muss er auch wollen, sonst bläst ihm der Verstand über kurz oder lang das Lebenslicht, sprich: die Berechtigung aus. Woraus für mich folgt: Von Werten und Normen eines Kulturkreises, den eine Religion/ein Glaube kreiert hat, lasse ich mir nicht vorschreiben, was ich an menschlichem Verhalten hinzunehmen, was ich abzulehnen habe. Ich lasse mir doch mein Nachdenken nicht aushebeln, weil mir jemand sagt: „Bei uns ist das halt so.“ Hätte Mose gesagt, Jesus gesagt, Paulus gesagt, Mohammed gesagt, etc., etc. Waren alles Menschen, und ich werd’ doch eines Menschen Rede/Schreibe nicht unreflektiert stehen lassen. Ich knipse keines Menschen wegen das Licht meines Verstandes aus. Mein Verstand kann irren, aber das muss mir erst der Verstand eines anderen Menschen beweisen. Und ein Glaube beweist gar nichts. Jeder Glaube drückt sich nämlich vor Argumenten. Wer keine hat, der glaubt. Das ist ja auch so einfach. „Steht in der Bibel“, „Steht im Koran“, oder worüber Heinrich Böll sich mal lustig gemacht hat, dass die Leute sagen: „Das hat in der Zeitung gestanden.“ - Mit anderen Worten: Wo immer es gestanden hat oder steht, man nimm’s, wie es da gestanden hat, wie es da steht, und kann sich als gerechtfertigt zurücklehnen, weil: Dann ist man ja nicht intolerant, sondern „fest im Glauben“, und ein Mensch, der fest im Glauben steht, wird ja überall nahezu als Heiliger gehandelt, anstatt als das, was er in Wahrheit ist: ein von einer Phobie gegeißeltes Geschöpf: ein von panische Angst vor seinem Verstand Gezeichneter. – Und von solchen Menschen soll ich mir vorschreiben lassen, was ich hinzunehmen habe? – Ich werde mich hüten!

Antworten Zuletzt bearbeitet am 21.01.2010 00:31.

SigridEbert

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Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 17.05.2009 19:10

Liebe Bettina,

du hast das gut herausgestellt, dass wir nichts erkennen von dem was vorgeht, solange wir in einer "Reaktion" stecken. Also indem ich bloß blind auf meinen gegenüber *reagiere* bin ich "außer" mir und somit weit von mir entfernt.

Der Begriff "außer mir sein" vor Ärger, Wut, Enttäuschung et cetera beschreibt im Grunde sehr treffend was *wirklich* vorgeht – ich bin außer meiner selbst und unfähig mich und den anderen wahrzunehmen!

In einer "Reaktion" nehme ich nichts mehr wahr von dem was in mir, um mich und in der Situation vorgeht, ich reagiere "auf und mit" inneren, unbewussten Mustern.

Das ist das Fatale daran!

Doch das würden wir nie so sehen – niemand kann mich besser belügen als ich mich selbst – dass ist eine Tatsache.

Habe ich das doch im Laufe meines Lebens auf's höchste perfektioniert!

Und genau hier beginnt jetzt mein Weg zu mehr Ehrlichkeit und Wahrheit im Umgang mit mir selbst. Dazu ist hinhören, hinspüren, in Frage stellen, Standortwechsel, und anderes notwendig um mich zu durchschauen.

"Nur wenn es mir gelingt, das zu "übersetzen" und zugleich mir selbst auf die Schliche zu kommen, nur dann kann ich etwas umwandeln... "

Du hast gut beschrieben das beides zusammenkommen muss um zu verstehen was der andere *wirklich* sagt und dass *alles zusammengenommen* die Voraussetzung für Veränderungen ist.

Wenn ich das verstanden habe, bin ich schon einen großen Schritt weiter gekommen. Denn jetzt kann ich agieren, gestalten, tätig sein – also das Gegenteil von *reagieren*!

Reagieren ist fremd bestimmt!

Agieren, gestalten, tätig sein ist selbst bestimmt!

Ich habe die Wahl – was will ich?


Will ich ein selbst bestimmtes Leben so muss ich mich an die Arbeit machen - und zwar an mir!

Ich muss mich verändern - nicht der/die andere muss sich ändern!


Doch dann gibt es keinen Sündenbock mehr, niemanden mehr der schuld ist.

Muss mal wieder ehrlich bekennen, dass das ist nicht angenehm und bequem ist, denn nun kann ich jedes Mal in den Spiegel blicken und sehe den "Schuldigen"!

Das zu ertragen geht nur in Ehrlichkeit und Wahrheit mit mir selbst.

Doch ich bekenne auch – wenn ich es mal gelernt habe geht es mit jedem Mal leichter und ich kann sogar mit einem gewissen Humor in den Spiegel blicken und mir sagen, dass ich mal wieder doof war :-)

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Kirsten

59, Weiblich

Beiträge: 54

Prostitution

von Kirsten am 17.05.2009 12:03

Absolut ein passendes Thema für diese Rubrik. Weder Sexarbeiterinnen noch Kunden derselben sprechen "darüber".

So musste vor vielen Jahren der "Hurenkongress" umbenannt werden in "Fachtagung Prostitution", weil sich kaum noch aktive SexarbeiterInnen anmeldeten und der "Hurenkongress" fast ausschließlich von Fachberatungsstellen besetzt wurde.

So fand also vom 13-15.Mai 2009 die "40. Fachtagung Prostitution" in Dortmund statt. 74 TeilnehmerInnen, davon ungefähr 8 SexarbeiterInnen. (davon 4 Männer!) Das sind im Verhältnis zu den letzten Jahren viele aktive SexarbeiterInnen!

Ihr habt im Vorfeld nichts davon erfahren, denn diese Fachtagung wird ausschließlich intern beworben um Journalisten fern zu halten.

TeilnehmerInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz waren drei Tage lang damit beschäftigt, sich auszutauschen, fortzubilden und gemeinsame Beschlüsse zu fassen.

Mir wurde hier sehr klar, dass wir in Dortmund so eine Art Paradies haben. Nicht, das alles perfekt wäre, im Gegenteil, es gibt noch viel zu tun und zu verbessern... Aber was ich aus Österreich und manchen deutschen Kommunen so zu hören bekommen habe, hat mich echt umgehauen.

In Österreich müssen SexarbeiterInnen einmal wöchentlich zu einer gynäkologischen Zwangsuntersuchung beim Gesundheitsamt.

Die Sperrgebietsverordnung in Wien ist völlig undurchsichtig. So darf man nur zu unterschiedlichen Zeitfenstern in bestimmten Straßenabschnitten stehen, Wohnungsprostitution ist komplett verboten. Frauen, die außerhalb der Zeitfenster oder am falschen Straßenabschnitt stehen, müssen 300,-€ Strafe zahlen. Es gibt Frauen, die rein sprachlich diese Regeln nicht verstehen und deshalb mittlerweile mit über 10000,-€ "verschuldet" sind. Die dürfen diese Geldstrafen im Gefängnis absitzen.

In Rheinland-Pfalz gibt es eine Beratungsstelle für Prostituierte. Dort arbeite EINE Sozialarbeiterin mit einem Stundenkontingent von 21 Wochenstunden. Demnächst bekommt sie sogar ein Büro.

In einer Stadt in NRW gibt es weit außerhalb einen legalen Straßenstrich, der nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen ist. Dort arbeiten 2 Prostituierte. Der nicht legale Strich in Stadtnähe wird allerdings stark frequentiert, überwiegend von drogengebrauchenden Frauen. Es gibt eine Beratungsstelle mit Wohnmobil dort. Die Polizei wartet in der Nähe und fängt die Frauen vor den Beratungsmobil ab um eine Ordnungsstrafe auszusprechen. Immerhin hat die Frau ja durch den Besuch der Beratungsmobiles angezeigt, dass sie sich im Sperrgebiet prostituiert. Sehr praktische Kooperation.... Die um Hilfe gebetenen Kommunalpolitiker wollen vielleicht was tun... nach der Wahl....

Es gibt in deutschen Städten ganze Straßenzüge, auf denen die Prostitution komplett durch organisierte Kriminelle bestimmt wird. Frauen zahlen Standgeld an diese Gruppen, manche Frauen werden nicht geduldet, Polizei hält sich raus. Alle finden das "normal".

Es gibt eine Stadt, da wurden die MitarbeiterInnen der Beratungsstelle auf dem Strich von der Kommune aufgefordert, eine Statistik darüber zu führen, wie viele Anbahnungsgespräche sie beobachten und wie viele Gäste die einzelnen Prostituierten bedienen.

In einer deutschen Großstadt wird jede Frau auf dem Strich abkassiert: Von Finanzamtsmitarbeitern: 25,-€ Pauschalsteuer UND 15,-€ Vergnügungssteuer täglich. Aber sie sind keine Unmenschen: Es gibt einen kontrollierten "Extra-Strich" ausschließlich für drogenabhängige Frauen. (Das wird tatsächlich überprüft, wobei nur intravenöser Heroinkonsum "gilt"... die Idee, auch zu überprüfen ob es sich wirklich um "Frauen" und nicht etwa um "Transfaruen" handelt haben sie aufgegeben, aber der Geschlechtseintrag im Ausweis muss weiblich sein!). Dort , auf dem "Drogenstrich" werden keine Steuern kassiert und es gibt Kondome umsonst.

Das sind nur ein paar der Geschichten, die mich umgehauen haben.

Eine "AG Straßenstrich" hat sich auf der Fachtagung gegründet und wir werden dran bleiben. Wir erstellen ein Konzeptgerüst ("Fragenkatalog") für Straßensozialarbeit auf dem Strich, mit dem wir zunächst den "Ist-Zustand" verschiedener Stadte beschreiben. Daraus entwickeln wir dann Mindest-Standards. Daraus wird sich ein Forderungspapier entwickeln.

Straßenprostituirte sind sozusagen das letzte Glied in der Kette der SexarbeiterInnen. Ungeschützt im wahrsten Sinne des Wortes: Vor dem Wetter, vor kriminellen Erpressern, vor gewaltbereiten Freiern, vor den Augen der Öffentlichkeit, vor dem Zugriff der Ordnungshüter.... Da gibt es was zu tun. Packen wirs an.

Das war nur eins von vielen Themen der diesjährigen Fachtagung.

Kirsten

Doch wenn ich vor der Dummheit die Augen verschlösse, wäre ich mit dafür verantwortlich, dass sie ins Kraut schießt.
Die wuchert nämlich schon beim Hingucken, aber was glaubt Ihr, wie die wuchert, wenn Ihr wegguckt
(Hermann Prignitzer)

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Bettina

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Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von Bettina am 17.05.2009 11:52

es ist schon ein langer Weg auf der Spur der eigenen Ehrlichkeit und Wahrheit zu sich selbst.

Liebe Sigrid, dieses Zitat aus Deinem Beitrag vom 11.5. passt so gut als Ergänzung zu dem, was ich eben geschrieben habe, deshalb stelle ich es als Nachtrag noch hier unter.

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Bettina

64, Weiblich

Beiträge: 23

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von Bettina am 17.05.2009 11:37

Liebe Sigrid!
Der von Dir zuletzt angeprochene Aspekt, was ist, wenn ich verletzt w e r d e ist äußerst wichtig. Was ist es denn eigentlich, das Verletzt-Werden?
Ich empfange eine Botschaft, sie löst bei mir Gefühle aus. Keine guten, wenn ich mich verletzt fühle. Nun bin ich vielleicht versucht, "zurückzuschlagen", indem ich meinerseits Verletzungen austeile, also beispielsweise eine Schuldzuweisung an den Anderen / die Andere gebe. Oder ich versuche, mich zu rechtfertigen. Oder ich weise mir selbst die Schuld zu.
In allen drei Varianten wird das zu keiner Problemlösung führen. Denn in allen drei Varianten (Schuldzuweisung, Rechtfertigung, schlechtes Gewissen) vermeide ich es, in mich "hineinzuhören" und herauszufinden, was meine Bedürfnisse in der Angelegenheit sind, die gerade - in einer Weise, die ich vielleicht als verletzend oder anmaßend empfinde - auf die Tagesordnung gekommen ist u n d ich vermeide dann auch, herauszufinden was in der Botschaft des Menschen steckt, der mir etwas mitteilen wollte. Welche Bedürfnisse wollte dieser Mensch äußern? Nur wenn es mir gelingt, das zu "übersetzen" und zugleich mir selbst auf die Schliche zu kommen, nur dann kann ich etwas umwandeln: eine Eskalation in einen Gesprächsansatz, wo es möglich ist, einander zuzuhören.
Im Grunde gilt auch hier: nur wenn es mir gelingt, ganz dicht bei mir selbst zu bleiben, habe ich eine Chance. Denn ohne Ehrlichkeit mir selbst gegenüber wird es mir auch nicht gelingen, zu entschlüsseln, was mein Gesprächspartner / meine Gesprächspartnerin mir eigentlich sagen wollte. Und dann könnte ich auch kein Gepräch in eine Richtung lenken, die es ermöglicht, einander zuzuhören, eventuelle Interessenkonflikte zu erkennen und einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss zu finden.
Also bleibt wiedermal der schwierigste Punkt in der Sache die Selbstbeobachtung und Selbsterkenntnis, also die Ehrlichkeit mir selbst gegenüber...

Antworten Zuletzt bearbeitet am 17.05.2009 11:43.

SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 11.05.2009 22:55

Liebe Bettina,

Danke! :-)

Ich bin unglaublich froh drüber, durch dich hier mal meine Gedanken zu diesem Thema so ausführlich schildern und zusammenfassen zu können.

Es gibt wirklich wenig Menschen, die sich überhaupt dafür interessieren.

Ohne deine Anregungen hätte ich das wahrscheinlich nicht getan.

Dafür DANKE!






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SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 11.05.2009 22:44

Liebe Bettina,

Jetzt ist wieder etwas Zeit und ich möchte meine Gedanken fortführen, den es fehlt noch der Aspekt wenn *ich* verletzt werde. Was ist dann?

Natürlich kommt es vor, dass ich verletzt werde, oder verletzt bin.

Zunächst gibt es da die Unterscheidung – *werde* ich verletzt - oder *bin* ich verletzt!



Ich kann das unterscheiden indem ich genau zuhöre und erkenne ob es sich um Du- oder Ich-Botschaften handelt.


Verletzt *werden* ist ein passiver Vorgang – irgendeiner oder irgendetwas macht etwas mit mir. Das geschieht nur durch Du-Botschaften – du hast... du bist... du denkst... du tust... du solltest... du musst... etc. Wenn mich so jemand mit seinen Du-Botschaften verletzt, kann ich das regeln, indem ich ihm klar vor Augen führe was er tut – mit Ich-Botschaften!

Verletzt *sein* ist ein aktiver Vorgang - hier wird nichts *mit* mir gemacht, sondern *ich* mache etwas mit *mir*! Das geschieht durch die erhaltenen Ich-Botschaften.

Denn die Ich-Botschaft ist jetzt in *meine Wunde* gefallen, wie Daniel es so schön beschrieb (übrigens ein sehr treffendes und anschauliches Bild, Herr Warschauer!) und ich "übertrage" das "zufügen dieser Wunde" auf den anderen, der mir gerade seine Ich-Botschaft gibt.

Natürlich hat er nichts damit zu tun, doch er ist jetzt mein "Stellvertreter" und bekommt die ganze "Ladung" ab.

Wenn ich das nicht immer wieder erleben will, muss ich lernen diese Muster zu durchschauen, ich will mich ja nicht selbst verletzen - denn genau das tue ich ja! Und das ist der *wahre* Grund warum ich so auf meinen "Stellvertreter" einschlage!

Was da bei mir hilft ist Selbstbeobachtung und mich in Frage stellen – was geht vor – was fühle ich – warum fühle ich das – ist das der Situation angemessen – was sagt der andere wirklich.

Oder ich bespreche den Vorgang mit einem Menschen, den ich liebe, er bietet mir unterschiedliche Standpunkte an, von denen aus ich das Gesagte nun erneut betrachten kann, und dann sehe ich schnell, dass ein *Standortwechsel* einen neuen Kontext liefert.

Plötzlich ordnet sich dann auch mein verletzt *sein* und ich erkenne die wahren Zusammenhänge.

Jetzt kann ich angemessen mit dem Vorfall umgehen.

Natürlich kann ich in einer Situation nicht immer gleich aussteigen und erst mit einem geliebten Menschen reden, oder sekundenschnell analysieren was vorgeht – warum ich was fühle etc.

Doch ich kann Zeit gewinnen wenn ich ruhig und besonnen bleibe und nicht sofort reagiere, und dass kann man/frau lernen.

Muss wieder mal zugeben, dass es sich vielleicht für den ein oder anderen "einfach" anhört (von *Ungläubigen* will ich erst gar nicht reden), doch ich muss sagen, es ist schon ein langer Weg auf der Spur der eigenen Ehrlichkeit und Wahrheit zu sich selbst.

Ich bin jetzt 56 Jahre alt und mit 30 oder 40 war ich noch nicht so weit - aber ich war auf dem Weg und bin es noch - kann aber auch sagen dass es sich lohnt - sich nahe zu kommen und sich kennen zu lernen.




Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.05.2009 22:45.
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