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SigridEbert

71, Weiblich

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Re: Das Bereitsein zur Toleranz - erlernbar? lehrbar?

von SigridEbert am 17.07.2009 21:30

Liebe Bettina,

ich bin ganz deiner Meinung – Mitgefühl und Liebe sind der Schlüssel zur Toleranz und auch, dass Toleranz keine moralische Pflicht sein kann, weil dass niemals ausreichen würde.

Ebenso stimme ich dir zu, dass Toleranz nicht über den Verstand erzwingbar ist und es ist auch eindeutig richtig, dass Denken hilfreich ist – immer!

Doch Mitgefühl und Liebe entsteht nicht über den Verstand sonder immer und nur über das Gefühl – wie es ja bereits im Wort "Mit-Gefühl" zum Ausdruck kommt. Es geht darum etwas "mit zu fühlen" – ich also in der Lage bin, dass zu "fühlen" was der andere fühlt.

Dann allerdings kommt das Denken - das sorgt für eine neue Ausrichtung meines Verhaltens auf Grund meines "Mitfühlens".


Du fragst: "Liebe und Mitgefühl, wird und das in die Wiege gelegt?"

Ja und nein, Bettina, kommt darauf an was du mit "in die Wiege gelegt" meinst.

Es gibt zumindest wissenschaftliche Belege, die zeigen, dass Menschen, die in einer liebevollen Umgebung aufwuchsen eindeutig weniger Probleme damit haben. Auch gibt es genetische Dispositionen, Erkrankungen, die die Wahrnehmungsfähigkeit und das Fühlen beeinträchtigen können.

Ich beschränke mich hier auf eine kurze Erklärung was ich mit "liebevoller Umgebung" meine.

Es geht um das "Gefühl" sich sicher, angenommen und geliebt zu fühlen in dieser Welt. Und das gelingt Menschen die dass schon als Säugling und Kleinkind erfuhren eindeutig besser.

Das ist ein Gefühl, dass sich durch liebevolle Zuwendung, durch viel Körperkontakt und eine Haltung der Eltern von "du bist ok" dem Kleinkind gegenüber äußert und zwar in einer Phase des Kindes bevor sich sein "Ich" manifestiert hat. Das ist der Nährboden auf dem das Kind ein Gefühl dafür entwickelt, angenommen, sicher und geliebt zu sein – in der Welt.

Diese Menschen tun sich in der Regel nicht so schwer damit Mitgefühl und Liebe, und in deren Folge Toleranz, zu entwickeln und dauerhaft zu kultivieren.

Wenn wir bedenken wie unser Erziehungssystem in den letzten 100 Jahren aussah, wird uns sehr schnell klar, dass es davon nicht so viele Menschen geben kann. Erziehung hatte und hat bei uns in Deutschland viel mit Fehlern, Schuld, mit "nicht in Ordnung zu sein" und Strafen zu tun. Das ist der Nährboden auf dem Intoleranz entsteht.




Dazu ein Beispiel aus dem Schulalltag Deutschland/Finnland:

Für entspannte Prüfungen finden wir in Deutschland leider noch wenige Beispiele.

Da blicken wir lieber nach Finnland.

Dort werden zum Beispiel jedes Jahr einige hundert Schulen ausgelost, um vom zentralen Unterrichtsinstitut geprüft zu werden. Schulen, die nicht ausgelost werden, die aber über sich Auskunft wünschen, können mitmachen, wenn sie sich an den Kosten mit 1000 Euro beteiligen. Die meisten Schulen machen inzwischen mit.

Dass sie dafür zahlen, können viele Deutsche erst einmal nicht glauben. Plausibler fänden sie es, wenn Schulen dafür Schmerzensgeld bekämen. Das passt besser zu einem Bild von Prüfungen als Fehlerinquisition.

In deutscher Tradition umgibt Prüfungen eine Aura von Aburteilen und Entwerten. Im gegliederten Schulsystem gerät die Leistungsbeurteilung leicht zur Suche nach den blinden Passagieren, die schleunigst von Bord sollen.

In einem vertrauensvollen Klima hingegen entfalten Prüfungen eine ganz andere Wirkung. Sie werden als Rückmeldung angesehen, die Schülern und Lehrern Auskunft über sich gibt. Die Diagnose ist dann nur der erste Schritt.
Weitere Auskünfte klären, was getan werden kann. Übrigens ist dann die Identifikation und Förderung von Stärken ebenso wichtig, wie die Arbeit an Schwächen.

Das in Deutschland bei Prüfungen selten an die Talente gedacht wird, ist aufschlussreich. Nach einer guten Note fühlt man sich gut oder ist noch mal davon gekommen. Mehr wollen Schüler dann häufig gar nicht wissen.

Warum halten in Deutschland so viele Menschen entspannte Prüfungen mit hohem Erkenntniswert nicht für möglich?
Warum glauben so viele, ohne Peitsche würde die Motivation erschlaffen?

Eine fatale Mentalität.

Sie setzt mehr auf Außenregulierung und Disziplin, als auf Selbstregulierung.

Eine schlechte Prüfungskultur verdirbt den Kindern den Geschmack an diesem großen Projekt des eigenen Lebens, am Lernen.

„Die Zeit“ Reinhard Kahl 2007, Zusammenfassung Sigrid Ebert


Ich denke Bettina, das erklärt Einiges, und ist nur ein Beispiel aus unserem Erziehungssystem, das deutlich macht, was ich mit meinen obigen Ausführungen meine.

Was uns im Wege steht ist unsere fatale Mentalität von Entwerten, Aburteilen und falsch verstandener Disziplin!

Doch jeder Mensch kann zunächst seine eigenen Gefühle wie Unsicherheit, Angst, Hass etc. wahrnehmen und dann durch "Denken" hinterfragen, da der Mensch ja ein Vernunftwesen ist, wie Holz ausführt, und so zu neuen Einsichten gelangen. Das kann dann seine Haltung ändern. Und wenn er dann noch die Fähigkeit des "Mit-fühlens" entwickelt, dann ist es nicht mehr weit bis zur Toleranz.


" Eine moralische Instanz, die uns Zuneigung und Mitgefühl lehrt, kann es die überhaupt geben?"


Nein Bettina, keine moralische Instanz! Denn dass würde ja bedeuten, es ginge um Sitte und Gebräuche, um allgemeine Konventionen. Doch bei Toleranz geht es gerade darum nicht, sondern um Haltungen, Sichtweisen und Lebenskonzepte die ja gerade diesen Konventionen widersprechen.

Es geht um eine Instanz, die in der Lage wäre, zu lehren wie der Mensch zu diesen abweichenden Haltungen, Sichtweisen und Lebenskonzepten eine tolerante Einstellung erlangen kann – eine Instanz der es nicht um Konventionen/Moral geht – eine Instanz der es um Selbsterkenntnis geht.


"War es die Religion jemals wirklich?"

"Konnte / kann diese nicht bestenfalls so etwas wie moralische Pflichten lehren?"


Das ist eine wichtige Frage Bettina. Hier möchte ich zunächst unterscheiden zwischen "Religion" und "Institution Kirche", weil für mich, und hier spreche ich nur für mich, "Religion" und "Kirche" nichts miteinander zu tun haben; Religion ist kein Synonym für Kirche oder umgekehrt! Doch ich betone ausdrücklich, dass dies meine ganz persönliche Meinung ist.

Aus dieser meiner Sicht bin ich anderer Meinung – Religion ist durchaus in der Lage diese Instanz zu sein – und ich spreche hier auch nicht von einer Konfession, ich spreche von Religion als konfessionsübergreifendes Phänomen, dass schon immer alle Kulturen begleitete.

Bei "Religion" in meinem Sinne geht es um mehr als bloß um moralische Pflichten - es geht um tief greifende Erkenntnisse des Selbst. Und bei Toleranz geht es um Erkenntnis des Selbst – dass meine Sichtweise eine Subjektive ist und nur ein Teilaspekt der Wahrheit dieser Welt, und dass das für jeden Menschen so ist. Somit bin auch ich auf Toleranz durch andere angewiesen, darauf, dass mir niemand Schaden zufügt.


Diese Erkenntnis gibt es in allen Religionen –

Was du selbst nicht wünschest, das tue nicht den Menschen an. − Analekten des Konfuzius XII, 2, XV, 23 Konfuzianismus (Philosophie und Religion)

Dies ist die Summe aller Pflicht: Tue anderen nichts, das dir Schmerz verursachte, würde es dir getan. - Mahabharata 5, 1517, Hinduismus und Brahmanismus

Jedem ist sein Selbst am liebsten, deshalb verletze niemand anderen aus Liebe zum deinem Selbst. − frei nach Udana-Varga 5,1 Buddhismus

Alles nun, was ihr wollt, dass die Menschen euch tun, das tut ihnen ebenso. − Bibel, Matthäus 7, 12; Lukas 6, 31, Christentum

Was dir selbst verhasst ist, das tue nicht deinem Nächsten an. Dies ist das Gesetz, alles andere ist Kommentar. − Talmud, Shabbat 31a, Judentum

Der vorzügliche Glaube ist, das, was du für dich wünschst, auch den anderen zu wünschen und das, was du dir nicht wünschst, den anderen auch nicht zu wünschen. − Hadithsammlung des Ahmad Ibni Hanbal, Islam

Quelle Wikipedia



Nun zu: "Vielleicht habe ich Dich ja auch nicht richtig verstanden."

"Aber falls doch, kann ich nur Protest einlegen: Das Bedürfnis, geliebt zu werden, kann ich niemals opfern. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, das ich nicht opfern darf, denn das wäre unmenschlich mir selbst gegenüber. Und ohne Liebe (auch zu mir selbst!) kann ich auch keine Fähigkeit zu Mitgefühl und Zuneigung anderen gegenüber haben."



Dass liebe Bettina ist ein Missverständnis. Natürlich hast du Recht - ohne Liebe mir selbst gegenüber kann ich die Fähigkeit für Mitgefühl und Zuneigung nicht entwickeln.

Was ich meinte ist das Bedürfnis des "Ich/Ego" dass muss ich "überschreiten", denn "angenommen sein" in der Welt ist ein Seinszustand und vom "Ich/Ego" unabhängig.

Ich verwende hier absichtlich statt "opfern" "überschreiten" weil "opfern" zu negativ belegt ist in unserem Sprachgebrauch und allein deshalb ein falscher Eindruck entsteht. Denn dass was ich meine ist nicht negativ (vom Ursprung her bedeutet opfern – etwas "darbringen" – ist also positiv!) es ist ein Akt der Selbstüberwindung – die Überwindung der Bedürfnisse des "Ich/Ego".

Damit meine ich aber nicht jetzt "bedürfnislos" zu sein, sondern ich bin unabhängig vom "Ich/Ego", bin frei zu entscheiden. Nichts "zwingt" mich mehr.

Auch die Formulierung "geliebt sein" in der Welt, ist missverständlich, da das Wort "Liebe" in unserem Sprachgebrauch sehr abgegriffen ist und in einem Kontext steht, den ich nicht meine.

Besser ist hier die Formulierung "sich angenommen fühlen" in der Welt – das bedeutet: ich fühle mich sicher, ich fühle mich aufgehoben, ich bin am rechten Platz, ich bin in Ordnung.

Das Bedürfnis des "Ich/Ego, geliebt zu werden" und der Seinszustand "in der Welt angenommen sein" sind völlig verschieden.



Hier mache ich jetzt eine Pause liebe Bettina, denn den Begriff "Seinszustand" den muss ich noch näher erklären und dass wird viel zu Schreiben sein. Außerdem muss ich mir noch klar darüber werden, wie ich es am besten erkläre – ist nämlich gar nicht so einfach...

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SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Bereitsein zur Toleranz - erlernbar? lehrbar?

von SigridEbert am 13.07.2009 02:22

Lieber Hermann,

wie ich bereits in meiner ersten Antwort anführte sind deine Fragen sehr komplex und nicht mal eben so im Vorbeigehen zu beantworten. Sie sind auf vielen Ebenen zu sehen und zu beleuchten und daraus einen Konsens zu entwickeln ist äußerst schwierig.

Zunächst möchte ich den Dalai Lama zitieren, der in einer öffentlichen Rede "Liebe und Mitgefühl – die Fundamente für Toleranz" unter anderem folgendes sagte:

"Die inneren Eigenschaften wie Mitgefühl und Zuneigung bewirken Glück, und diese Tugenden sind es auch, die Toleranz hervorbringen. Wenn man Toleranz nur als eine moralische Pflicht versteht, mag das in gewisser Weise einen Nutzen haben, aber daraus entwickelt sich kaum eine dauerhafte, stabile Toleranz anderen Wesen gegenüber.

Wenn man dagegen erkennt, dass der andere genau wie ich selbst Glück erlangen und Leid vermeiden möchte, und wenn man einsieht, dass er genauso wie ich selbst das Recht hat, dieses Glück zu erstreben und Leid von sich zu weisen, dann entsteht echte, tiefe Achtung vor dem anderen. Auf diesem Fundament können Geduld und Toleranz entstehen und die Erkenntnis, dass es unangemessen ist, den anderen zu schädigen.

... Wir müssen uns die Vorteile von Liebe und Mitgefühl vor Augen führen. ... sie verbessern unserer Beziehung zu anderen – in der Familie und in der Gesellschaft überhaupt. ... Sie entwickelt die innere Stärke ... die dann Toleranz und Geduld mit sich bringt.

... Es ist wichtig, dass wir unser Wissen und unsere Fähigkeiten vermehren. Gleichzeitig ist es aber notwendig, dass wir Tugenden schulen, die unserem Denken und Handeln zugrunde liegen. Wenn einem Menschen, der viel weiß und viele Fähigkeiten hat, eine aufrichtige Motivation fehlt, diese Potentiale zum Wohle der Menschen einzusetzen, kann sich sein Wissen negativ auswirken und viel Leid erzeugen.

... Früher war die Instanz, die hauptsächlich vermittelt hat, wie Toleranz, Altruismus usw. zu schulen sind, die Religion. In der heutigen Zeit wird die Religion immer mehr zurückgedrängt, ihre Rolle in der Gesellschaft wird schwächer. Was bleibt, ist die Seite des Wissens und der Fähigkeiten; es ist keine Instanz da, die anstelle der Religion die Verantwortung dafür übernimmt, die Tugenden zu vermitteln und zu fördern.

Deshalb möchte ich all diejenigen, die irgendwie am Erziehungssystem mitarbeiten, bitten, sich auf diesem Gebiet zu engagieren."

Nach einer mündlichen Übersetzung aus dem Tibetischen von Gelong Dschampa Gyatso (Christof Spitz), überarbeitet von Birgit Stratmann. Copyright S.H. Dalai Lama, Erschienen in „Tibet und Buddhismus“, Heft 30, 1994


Hier denke ich, kommen weitere Aspekte zu meinem Ansatz in meiner ersten Antwort hinzu:

• Toleranz muss mehr als eine moralische Pflicht sein
• Toleranz braucht eine aufrichtige Motivation, Fähigkeiten zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen
• Toleranz braucht Schulung unserer Tugenden, die unserem Denken und Handeln zu Grunde liegen
• Toleranz braucht eine Instanz, die unsere Tugenden schult

Hier liegt auch die Antwort auf deine Frage Hermann, ob es erlernbar oder lehrbar ist – ja es ist – doch es gibt hier zu Lande offensichtlich keine Instanz mehr dafür, die das leisten könnte.

Unsere Prioritäten haben sich verschoben – Wissen und Fähigkeiten sind heute das größte Gut. Tugenden sind ein alter Zopf mit denen es nichts zu gewinnen gibt.

Wir sollten Ausschau halten nach einer Instanz, die neben Wissen und Fähigkeiten die Vermittlung "alter Zöpfe" wieder im Stande wäre zu leisten.


Auf der Suche nach weiteren Hinweisen zum Thema "Toleranz" bin ich auf den Artikel "Rationalität und Toleranz" von Hans Heinz Holz gestoßen.

Hans Heinz Holz, geboren 1927 in Frankfurt/M, marxistischer Philosoph, Promotion bei Ernst Bloch – Quelle Wikipedia

Ich werde eine kleine, nicht vollständige Zusammenfassung seines Artikels geben mit Hinweisen die ich dort fand und die die Aspekte von Toleranz berühren, die für unsere Fragen wichtig sind.

Was mir zugegebener Maßen nicht so ganz leicht fällt, da ich auf diesem Gebiet eine "Unwissende" bin. Doch es geht hier ja nicht um erkenntnistheoretische Erörterungen sondern um deren praktischen Bezug zu unserem Leben und zu unseren hier diskutierten Fragen und darauf werde ich mich auch beschränken.

Hans Heinz Holz sagt unter anderem:

Jeder Mensch sieht die Welt von seinem einzigartigen individuellen Standpunkt aus und agiert/reagiert auf dieser Grundlage. Jeder hat seine individuelle Sicht der Welt und diese ist nicht völlig gleich mit der Sichtweise des anderen und dadurch unterscheidet sich jeder Mensch vom anderen. Alle agieren/reagieren auf ein und die selbe Welt – dass ist seiner Aussage nach die Bedingung von Wahrheit und der Grund warum es nur eine Wahrheit gibt, da es nur eine Welt gibt. Aber jeder sieht sie aus einer anderen Perspektive, und damit sieht jeder nur einen Teilaspekt der Wahrheit und agiert/reagiert darauf.

Hier nun kommt Toleranz ins Spiel - Toleranz ist also die Fähigkeit, die andere Sichtweise zu erkennen, zu bejahen und ihr eine Berechtigung zu geben. Toleranz ist die Fähigkeit, meine Einstellung zu behalten und doch die andere Einstellung, oder viele Einstellungen ebenso gelten zu lassen.

Was auf dein Anliegen Hermann, angewandt ja bedeutet - ich bin heterosexuell und bleibe es auch, und doch kann ich erkennen und bejahen dass es homosexuelle Menschen gibt und ihnen eine gleiche Berechtigung geben. Ich kleide mich für die Allgemeinheit "normal" und kann trotzdem erkennen und bejahen, dass es Menschen gibt die sich exotisch kleiden und ihnen eine gleiche Berechtigung geben.

Holz meint auch, dass was wir wissen und behaupten können ist nur immer eine relative Wahrheit, da unser Denken und Erkennen endlich ist – in einer unendlichen Welt.

Deshalb kann Toleranz, wie du Hermann ja bereits in einem anderen Beitrag ausgeführt hast, nie eine Endgültige sein, sonder immer nur eine Wandelbare.

Außerdem meint Holz, da der Mensch ein Vernunftwesen ist besitzt er die Urteilskraft einzuschätzen was nützlich oder schädlich ist und kann dieser Einsicht folgen ohne sich durch Angst, Verführung oder niederen Trieben übermannen zu lassen.

Das wiederum angewandt auf deine Ausführungen bedeutet doch, dass ich in der Lage sein muss zu beurteilen ob es nützlich oder schädlich ist wie sich jemand kleidet oder welche sexuelle Ausrichtung er hat – und dann kann ich doch nur erkennen und bejahen dass es niemandem schadet wie ein Mensch seine Sexualität lebt (in Bezug auf Erwachse!), wie ein Mensch sich kleidet, was ein Mensch isst, welcher Religion ein Mensch angehört etc.

Genauso kann ich dann doch auch beurteilen dass es schädlich ist einen Menschen wegen seiner Kleidung, seiner sexuellen Ausrichtung, wegen seines Glaubens, etc. zu übervorteilen, zu diskriminieren, zu verletzten oder gar zu töten.

So weit eine kleine nicht vollständige Zusammenfassung aus „Rationalität und Toleranz“ von Hans Heinz Holz und ein paar kleine Ergänzungen von mir.

Bleibt die Frage, warum es trotzdem Menschen gibt, die diese Urteilskraft vermeintlich nicht besitzen, oder ihr nicht folgen können.

Ich denke hier bin ich wieder am Anfang meiner Antwort und beim Auszug der Rede des Dalai Lama: Der Verfall der "Tugenden", wie er es nennt, in unserer Gesellschaft.

Die starke Ausrichtung auf Wissen und Fähigkeiten, die Ausrichtung auf äußere Werte und der zunehmende Verlust von Liebe und Mitgefühl.

Und ich bin wieder bei meiner ersten Antwort – die Angst nicht geliebt zu sein.

Hier meine ich nicht Hermann, nicht "beliebt" sein sondern ich meine nicht "geliebt" sein! Das ist für mich ein gewaltiger Unterschied!

In diesem Zusammenhang fiel mir auch auf, dass es für viele Menschen offensichtlich von großer Bedeutung ist "Recht haben zu müssen". Ich habe darüber nachgedacht, welche Gründe es dafür geben mag, dass es so vermeintlich wichtig, ja für manch einen existentiell ist "Recht zu haben".

Durch die Diskussion über diesen Zusammenhang mit einem geliebten Menschen ist mir klar geworden, dass jeder Mensch, wenn er seinen Standort wechseln kann, wenn er abstrahieren kann, wenn er sich hinterfragen kann, wenn er in der Lage ist sich selbst in Frage zu stellen, dass er dann einer ist, der sich in dieser Welt sicher fühlt, sich angenommen und geliebt fühlt. Dann und nur dann kann er auf "Recht haben" verzichten.

Das habe ich in meiner ersten Antwort gemeint als ich schrieb:

Das tiefste Bedürfnis eines jeden Menschen ist es geliebt zu werden!

Doch dessen muss ich mir erst mal bewusst sein, um dieses Bedürfnis opfern zu können - denn dass muss ich, wenn ich wirklich tolerant sein will.


Und das kann ich nur "opfern" wenn ich mich sicher und angenommen fühle – geliebt fühle – und hier nicht im Sinne von "geliebt werden von jemandem" sondern "geliebt sein" in der Welt!

Dieses "Recht haben" bieten allen anderen Menschen nämlich die einzige Sicherheit, das einzige "Gerüst" an dem sie sich festhalten können und das macht sie gänzlich starr und unbeweglich. Denn dieses "Gerüst" loslassen würde für sie ja bedeuten ohne "Halt" zu sein, ins "Bodenlose" zu fallen – das macht Todesangst.

Darum Hermann sind manche Menschen so "unbelehrbar".

Ausführung im ersten Beitrag von dir:

"Der Intolerante behauptet etwas. Gründe für seine Behauptung nennt er in aller Regel nicht; und nennt er welche, sind sie meist leicht zu entkräften, und dann sagt der Intolerante (habe dies oft erlebt): "Ja, ja, aber trotzdem...", weil in diesem betreffenden Menschen eine Sperre nicht aufgeht. Kann ihm einer sagen, was er will; kann er hören, was auch immer... ihm geht kein Licht auf."

Die von dir so genannte "Sperre" ist genau das – ihr Gerüst, an das sie sich klammern – ohne dieses Gerüst sie ins Bodenlose fielen.

Um mit den Worten des Dalai Lama zu sprechen, können wir mit diesen Menschen nur tiefes Mitgefühl empfinden, denn sie leben bewusst oder unbewusst in ständiger Angst, dass einer wie du Hermann, oder wie David, oder wie ich, oder andere daher kommen und ihnen den Todesstoß versetzen - indem wir sie ins Bodenlose stürzen lassen.

Daher Hermann, die Gegenwehr, die Unbelehrbarkeit, die Besserwisserei, das Recht haben wollen, der Hass, die Gewalt...

Und nun nochmals zu deinen Fragen Hermann:

Toleranz erlernbar, lehrbar?

Oder anders gefragt:

Gibt es, um eine Formulierung meines Freundes David Warschauer aufzugreifen, tatsächlich >Grenzen der Aufklärung<?

Und wenn ja, wie geht man damit um?


Toleranz ist lehrbar – nur die Frage ist, wer wäre im Stande es zu lehren.

Toleranz ist erlernbar – nur die Frage ist bis zu welchem Alter wäre es denn erlernbar. Oder anders gefragt – gibt es eine altersmäßige Begrenzung, weil ab einem gewissen Alter bereits eine so starke "Erstarrung" entstanden ist, die sich nicht mehr aufzulösen ließe (Tante Ortrud) ?

Grenzen der Aufklärung gibt es nicht, denn Aufklärung ist ein fortschreitender Prozess.

Holz sagt, dass unser Denken und Erkennen endlich ist – in einer unendlichen Welt. Doch das widerspricht nicht meiner Aussage, sondern bedeutet ja nur dass der Prozess der Aufklärung nie enden kann – da die Welt unendlich ist.

Bleibt deine letzte Frage Hermann:

Wie geht man damit um?

Darauf Hermann kann ich im Moment wieder nur mit den Worten des Dalai Lama antworten:

Mit Geduld, Mitgefühl und Liebe –

Denn wenn mann/frau ... erkennt, dass der andere genau wie ich selbst Glück erlangen und Leid vermeiden möchte, und wenn man einsieht, dass er genauso wie ich selbst das Recht hat, dieses Glück zu erstreben und Leid von sich zu weisen, dann entsteht echte, tiefe Achtung vor dem anderen. Auf diesem Fundament können Geduld und Toleranz entstehen...

Bin mir durchaus bewusst dass sich das nicht besonders leicht anhört. Ich will mir dazu auch gerne weitere Gedanken machen und sehen ob es mir gelingt, wenigstens ansatzweise praktische, anwendbare Verhaltensweisen zu finden.

Doch dafür Hermann musst du mir Zeit einräumen, dass schüttle ich nicht mal eben so aus dem Ärmel...

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SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Bereitsein zur Toleranz - erlernbar? lehrbar?

von SigridEbert am 17.06.2009 01:17

Lieber Hermann,

ja, alles Fragen - und wichtige dazu - und nicht so im Vorbeigehen zu beantworten!

Deine Fragen haben es wirklich in sich, berühren sie doch einen tiefen Kern im Menschen.

Doch um das näher zu begründen sollte ich mal vorne anfangen und deine Fragen aufgreifen.


"Wie also steht es mit dem Bereitsein zur Toleranz?"

Das Bereitsein zur Toleranz bedarf einer gewissen Reife, die ich brauche um dazu fähig zu sein. Denn Toleranz entsteht durch die Fähigkeit mich in Frage stellen zu können, mich außerhalb der vielleicht allgemein herrschenden Meinung zu stellen; entsteht durch die Überwindung meiner Angst, die Anerkennung durch andere zu verlieren, durch die Überwindung meiner Angst ausgegrenzt zu werden.

Ich könnte zum Beispiel von mir behaupten tolerant zu sein, doch wenn ich genauer hinschauen würde, sähe ich, dass es eine Toleranz wäre, die nur so weit ginge wie sie sich im allgemeinen Umfeld einer etablierten Toleranz bewegte. Also "Viele" diese Toleranz verträten und somit gesichert wäre, dass ich mich nicht plötzlich außerhalb der Gemeinschaft bewegte, nicht die Anerkennung der Gruppe verlöre, oder es gerade schick wäre, diese Toleranz zu vertreten.

Also es gibt die Pseudo-Toleranz und die Intoleranz.

Das ist es, was uns da draußen wirklich täglich begegnet. Sicher keine beruhigende Erkenntnis.

Fragt sich, warum das so ist.

Was ist der Kern meiner Angst ausgegrenzt zu werden, Anerkennung zu verlieren, nicht die allgemein herrschende Meinung zu vertreten?

Es ist die Angst aus der Gemeinschaft raus zufallen.

Es ist die Angst allein zu sein.

Und was bedeutet das im Kern?

Ich habe Angst nicht geliebt zu werden!

Das tiefste Bedürfnis eines jeden Menschen ist es geliebt zu werden!

Doch dessen muss ich mir erst mal bewusst sein, um dieses Bedürfnis opfern zu können - denn dass muss ich, wenn ich wirklich tolerant sein will.

Ich muss mich selbst überwinden.

"Hat halt der eine Mensch die Toleranzbereitschaft, das Toleranzvermögen, das Tolerantsein-Können in sich, und ein anderer hat so was halt nicht in sich, der fühlt es nicht, also keine Aussicht, dass er es erjagt?"

Ja Hermann, hat der Mensch das Vermögen oder hat er nicht?

Ich denke er hat - doch nicht ohne die Bewusstheit sich selbst zu erkennen und nicht ohne die Reife sich selbst zu überwinden.

Und lieber Hermann, solche Menschen gibt es noch nicht genug auf diesem Planeten, um dir deinen Seelenfrieden geben zu können.

Aber wir Wenige können den Vielen mit unserer Toleranz begegnen und ihnen vorleben, dass unsere Toleranz uns nicht umbringt – jedenfalls nicht in unseren Landen – wir machen uns allenfalls un(b)geliebt.


Antworten Zuletzt bearbeitet am 17.06.2009 09:13.

SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Darf das denn sein?

von SigridEbert am 21.05.2009 20:07

Lieber Hermann,

ich bin sprachlos – habe noch nie und nirgends eine so auf den Punkt gebrachte Zusammenfassung zum Thema "Toleranz" gelesen!

Es gibt nichts dass ich hinzufügen oder anmerken wollte, weil - es ist alles gesagt!

Ich kann nur sagen:

1. JA!
2. JA!
3. JA!
4. JA!
5. JA und nochmals JA!

Hermann, für diesen Beitrag liebe ich dich, DANKE!

Deine Schülerin

Sigrid

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SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 17.05.2009 19:10

Liebe Bettina,

du hast das gut herausgestellt, dass wir nichts erkennen von dem was vorgeht, solange wir in einer "Reaktion" stecken. Also indem ich bloß blind auf meinen gegenüber *reagiere* bin ich "außer" mir und somit weit von mir entfernt.

Der Begriff "außer mir sein" vor Ärger, Wut, Enttäuschung et cetera beschreibt im Grunde sehr treffend was *wirklich* vorgeht – ich bin außer meiner selbst und unfähig mich und den anderen wahrzunehmen!

In einer "Reaktion" nehme ich nichts mehr wahr von dem was in mir, um mich und in der Situation vorgeht, ich reagiere "auf und mit" inneren, unbewussten Mustern.

Das ist das Fatale daran!

Doch das würden wir nie so sehen – niemand kann mich besser belügen als ich mich selbst – dass ist eine Tatsache.

Habe ich das doch im Laufe meines Lebens auf's höchste perfektioniert!

Und genau hier beginnt jetzt mein Weg zu mehr Ehrlichkeit und Wahrheit im Umgang mit mir selbst. Dazu ist hinhören, hinspüren, in Frage stellen, Standortwechsel, und anderes notwendig um mich zu durchschauen.

"Nur wenn es mir gelingt, das zu "übersetzen" und zugleich mir selbst auf die Schliche zu kommen, nur dann kann ich etwas umwandeln... "

Du hast gut beschrieben das beides zusammenkommen muss um zu verstehen was der andere *wirklich* sagt und dass *alles zusammengenommen* die Voraussetzung für Veränderungen ist.

Wenn ich das verstanden habe, bin ich schon einen großen Schritt weiter gekommen. Denn jetzt kann ich agieren, gestalten, tätig sein – also das Gegenteil von *reagieren*!

Reagieren ist fremd bestimmt!

Agieren, gestalten, tätig sein ist selbst bestimmt!

Ich habe die Wahl – was will ich?


Will ich ein selbst bestimmtes Leben so muss ich mich an die Arbeit machen - und zwar an mir!

Ich muss mich verändern - nicht der/die andere muss sich ändern!


Doch dann gibt es keinen Sündenbock mehr, niemanden mehr der schuld ist.

Muss mal wieder ehrlich bekennen, dass das ist nicht angenehm und bequem ist, denn nun kann ich jedes Mal in den Spiegel blicken und sehe den "Schuldigen"!

Das zu ertragen geht nur in Ehrlichkeit und Wahrheit mit mir selbst.

Doch ich bekenne auch – wenn ich es mal gelernt habe geht es mit jedem Mal leichter und ich kann sogar mit einem gewissen Humor in den Spiegel blicken und mir sagen, dass ich mal wieder doof war :-)

Antworten

SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 11.05.2009 22:55

Liebe Bettina,

Danke! :-)

Ich bin unglaublich froh drüber, durch dich hier mal meine Gedanken zu diesem Thema so ausführlich schildern und zusammenfassen zu können.

Es gibt wirklich wenig Menschen, die sich überhaupt dafür interessieren.

Ohne deine Anregungen hätte ich das wahrscheinlich nicht getan.

Dafür DANKE!






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SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 11.05.2009 22:44

Liebe Bettina,

Jetzt ist wieder etwas Zeit und ich möchte meine Gedanken fortführen, den es fehlt noch der Aspekt wenn *ich* verletzt werde. Was ist dann?

Natürlich kommt es vor, dass ich verletzt werde, oder verletzt bin.

Zunächst gibt es da die Unterscheidung – *werde* ich verletzt - oder *bin* ich verletzt!



Ich kann das unterscheiden indem ich genau zuhöre und erkenne ob es sich um Du- oder Ich-Botschaften handelt.


Verletzt *werden* ist ein passiver Vorgang – irgendeiner oder irgendetwas macht etwas mit mir. Das geschieht nur durch Du-Botschaften – du hast... du bist... du denkst... du tust... du solltest... du musst... etc. Wenn mich so jemand mit seinen Du-Botschaften verletzt, kann ich das regeln, indem ich ihm klar vor Augen führe was er tut – mit Ich-Botschaften!

Verletzt *sein* ist ein aktiver Vorgang - hier wird nichts *mit* mir gemacht, sondern *ich* mache etwas mit *mir*! Das geschieht durch die erhaltenen Ich-Botschaften.

Denn die Ich-Botschaft ist jetzt in *meine Wunde* gefallen, wie Daniel es so schön beschrieb (übrigens ein sehr treffendes und anschauliches Bild, Herr Warschauer!) und ich "übertrage" das "zufügen dieser Wunde" auf den anderen, der mir gerade seine Ich-Botschaft gibt.

Natürlich hat er nichts damit zu tun, doch er ist jetzt mein "Stellvertreter" und bekommt die ganze "Ladung" ab.

Wenn ich das nicht immer wieder erleben will, muss ich lernen diese Muster zu durchschauen, ich will mich ja nicht selbst verletzen - denn genau das tue ich ja! Und das ist der *wahre* Grund warum ich so auf meinen "Stellvertreter" einschlage!

Was da bei mir hilft ist Selbstbeobachtung und mich in Frage stellen – was geht vor – was fühle ich – warum fühle ich das – ist das der Situation angemessen – was sagt der andere wirklich.

Oder ich bespreche den Vorgang mit einem Menschen, den ich liebe, er bietet mir unterschiedliche Standpunkte an, von denen aus ich das Gesagte nun erneut betrachten kann, und dann sehe ich schnell, dass ein *Standortwechsel* einen neuen Kontext liefert.

Plötzlich ordnet sich dann auch mein verletzt *sein* und ich erkenne die wahren Zusammenhänge.

Jetzt kann ich angemessen mit dem Vorfall umgehen.

Natürlich kann ich in einer Situation nicht immer gleich aussteigen und erst mit einem geliebten Menschen reden, oder sekundenschnell analysieren was vorgeht – warum ich was fühle etc.

Doch ich kann Zeit gewinnen wenn ich ruhig und besonnen bleibe und nicht sofort reagiere, und dass kann man/frau lernen.

Muss wieder mal zugeben, dass es sich vielleicht für den ein oder anderen "einfach" anhört (von *Ungläubigen* will ich erst gar nicht reden), doch ich muss sagen, es ist schon ein langer Weg auf der Spur der eigenen Ehrlichkeit und Wahrheit zu sich selbst.

Ich bin jetzt 56 Jahre alt und mit 30 oder 40 war ich noch nicht so weit - aber ich war auf dem Weg und bin es noch - kann aber auch sagen dass es sich lohnt - sich nahe zu kommen und sich kennen zu lernen.




Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.05.2009 22:45.

SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 11.05.2009 16:31

Liebe Bettina,

ja, die "ganze" Verantwortlichkeit liegt nicht bei mir - sondern nur *meine* – und die ist: niemals jemanden bewusst und willentlich verletzten!

Wenn ich mich daran halte "kann" ich trotzdem jemanden verletzten doch *das* liegt in "seiner" Verantwortlichkeit, wie es ja auch Daniel schon sehr anschaulich und ausführlich dargelegt hat.

Dieses Risiko ist "mein" Risiko und das "muss" ich eingehen. Sonst können wir nur an der "Oberfläche" bleiben und uns mit „Nettigkeiten“ totschlagen!

Es bedarf also einer bewussten Entscheidung von mir was ich will – die Wahrheit sagen ohne zu verletzen, wissend, dass es trotzdem passieren kann und akzeptieren dass ich mich damit unbeliebt mache und mir "Feinde" schaffe! Siehe meine 8 Heulis auf Yasni !

Das ist der Preis der Wahrheit!

Andererseits kann ich auch entscheiden immer der "nette Mensch" zu sein – dann bleibt nur Oberflächlichkeit, mit dem Strom schwimmen, auf eine eigen Meinung verzichten und die allgemein herrschende Meinung zu meiner machen – also mein "Fähnchen nach dem Wind" zu hängen. Und wenn wir uns dann auch noch alle „"lieben" und vor Nettigkeit umkommen, dann mögen mich alle!

Der Preis dafür ist ewige Dummheit und zu Lebzeiten schon tot zu sein!


In diesem Zusammenhang möchte ich zum Punkt der "Liebe" kommen –

Damit meine ich die *Liebe* "den Menschen" an sich gegenüber und nicht die "Liebe nur einem Menschen" gegenüber.

Wenn ich jemand bin der Menschen grundsätzlich liebt kann ich gar nicht anders als mich für die Wahrheit zu entscheiden – es ist im Grunde ein *Liebesakt*.

Will gerne zugeben, dass das möglicherweise ein ungewöhnlicher Gedankengang ist – doch es ist so!

Liebe und Wahrheit bedingen sich!

Für mich ist Liebe und Wahrheit nicht trennbar, doch ich meine nicht Liebe in der besitzenden Form – das ist keine.

Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass ich jetzt nicht auf eine Begriffsklärung von *Liebe* eingehen will – dazu wäre ein eigener Beitrag sinnvoller.

Durch den Bezug von Liebe – Wahrheit muss ich jedoch darauf zu sprechen kommen.

Wenn ich liebesfähig bin liebe ich alles und jeden – wenn ich nur einen Menschen liebe und sonst nichts und niemand, dann bin ich liebesunfähig.

Für mich ist es nur möglich so mit Wahrheit umzugehen wenn ich *liebesfähig* bin.

Auch die Fähigkeit meine Verantwortlichkeit anzunehmen ist ein Liebesakt – mir gegenüber *und* dem Anderen gegenüber.

Ich bin nicht „liebens-würdig“ weil ich alle mit Nettigkeiten totschlage; ich bin *liebens-würdig* weil ich in gegenseitiger Achtung – mir und dem Anderen gegenüber – die Wahrheit sage.

Ich will hier auch nicht verschweigen, dass es nicht viele Menschen gibt, die das so sehen, und dass meine hier dargelegten Gedanken gut dazu geeignet sind mir neue Feindschaften einzuhandeln.

Doch wie bereits ausgeführt –

Das ist der Preis der Wahrheit!


Will später gerne noch einiges dazu ausführen - jetzt ist nicht genug Zeit -

Also bis später...

Antworten Zuletzt bearbeitet am 11.05.2009 23:15.

SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 09.05.2009 23:46

Liebe Bettina,

ja, ich stimme dir zu dass es schwierig ist in der Praxis spontan auf diese Weise zu antworten.

Das ist nur möglich, wenn man/frau darin bereits einige Übung hat - und um deine Frage zu beantworten, ob man/frau lernen kann die Wahrheit zu sagen ohne zu verletzen – ja man/frau kann das lernen!

Natürlich hast du auch Recht, wenn du meinst, dass der Mensch schnell von dannen ziehen muss, will er nicht Gefahr laufen weiter von seinem Bekannten interviewt zu werden.

Doch wenn der Mensch bereits einige Übung darin hat, dann kann er auch das gut meistern.

Die Kunst dabei ist im Grunde immer bei sich selbst zu bleiben und jede Du – Botschaft zu vermeiden.

Anstatt zu sagen "ich möchte mit deiner Besserwisserei und mit deinen ewigen Versuchen, mir deine Meinung aufzudrücken, nichts mehr zu tun haben" sagt der Mensch – mich ermüden Diskussionen in denen ich mich nicht einbringen kann, deshalb habe ich entschieden nicht mehr mitzumachen.

Anstatt zu sagen "du hast mir noch nie zugehört, sondern hörst nur dich selbst gern reden" sagt der Mensch – ich kann mir in diesen Diskussionen kein Gehör verschaffen, und die Monologe sind für mich oft so lang, deshalb habe ich entschieden nicht mehr mitzumachen.

Anstatt zu sagen "meine Zeit und Kraft sind mir zu schade für Begegnungen, die zu nichts führen" sagt der Mensch – in diesen Begegnungen fehlen mir Einsichten, die ich mir wünsche, deshalb habe ich entschieden nicht mehr mitzumachen.

Anstatt zu sagen "ich habe beschlossen, Personen zu meiden, von denen ich nur Oberflächlichkeiten zu erwarten habe" sagt der Mensch – diese Diskussionen lassen nicht die Themen aufkommen an denen ich interessiert bin, deshalb habe ich entschieden nicht mehr mitzumachen.

Es gibt jedoch für mich eine Ausnahme: Menschen die ich liebe denen sage ich im Klartext die Wahrheit, weil ich sie gar nicht verletzten könnte. Sie wissen dass ich das was ich sage nicht sage um sie zu verletzten sondern mit ihnen in ein Gespräch kommen möchte um die Sache zu klären. Allerdings halte ich mich auch hier an die Regel - keine du-Botschaften nur ich-Botschaften!

Zu deiner letzten Frage – "Geht es mir eigentlich wirklich immer darum, meinen Gesprächspartner oder meine Gesprächspartnerin nicht zu verletzen oder bin ich einfach nur zu feige, zu sagen, was ich denke?"

Ich glaube es ist generell unangenehm jemandem etwas zu sagen, dass ihn verletzen würde. Auch ich tue das nicht, sondern versuche unangenehme Dinge auf eine Weise zu sagen die den Gegenüber nicht direkt und persönlich angreifen. Direkte persönliche Angriffe vermeide ich grundsätzlich.

Dann gibt es sicher auch Menschen die Angst vor den von dir angesprochenen Folgen haben. Ich persönlich halte es da lieber mit dem Spruch: "Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich völlig ungeniert!" ;-)

Nicht umsonst habe ich 8 Heulis auf Yasni! Und das ohne je irgendjemanden persönlich und direkt angegriffen zu haben. Also dafür reichte es völlig aus eine eigene Meinung zu haben und diese auch kund zu tun! :-)

Und diesen Luxus leiste ich mir! :-)

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SigridEbert

71, Weiblich

Beiträge: 24

Re: Das Wahrheit-Sagen. Nur ein paar Zitate

von SigridEbert am 08.05.2009 17:52

Die Wahrheit sagen – mal aus einem anderen Blickwinkel betrachtet.

Dazu erzähle ich eine Geschichte:

Da ist ein Mensch der in die Welt geht und fleißig Kontakte knüpft, weil ihn Menschen, Sichtweisen, Meinungen und Überzeugungen interessieren. Er liebt den Austausch, das Streitgespräch und beteiligt sich gerne an Diskussionen. Besonders wenn es dann nicht an der Oberfläche bleibt, also keine Allgemeinplätze Gegenstand der Unterhaltung sind sondern auch unpopuläre Standpunkte auf den Tisch kommen. Er liebt es Neues zu lernen, sich auch mal selbst in Frage zu stellen, eigene Standpunkte zu verlassen und zu schauen was passiert.

Nun ist es ja nicht so, dass man/frau an jeder Straßenecke Menschen findet, die das ebenso sehen und auch ihre Freude an derartigen „Unterhaltungen“ haben.

Das merkt dieser Mensch schnell, denn er stellt fest, dass die meisten daran interessiert sind, ihn für ihre Meinung einzunehmen und/oder sie wollen ihn überzeugen dass sie Recht haben und er Unrecht hat. Die Haltung, dass jeder auch ein Recht auf seine Sichtweise haben und dass „beide“ Sichtweisen auch nebeneinander stehen könnten, ist nicht so weit verbreitet, merkt dieser Mensch dann bald.

Ja er wird sogar ordentlich attackiert und man spricht ihm seinen gesunden Menschenverstand ab, oder er wird einer „Gruppe“ zugeordnet, von der man ja nichts anderes erwarten kann.

Der Mensch denkt sich nun, dass ihm das zu mühsam wird immer und immer wieder die gleichen Hinweise, Denkanstöße und Ansatzpunkte zu liefern um dem Anderen von einem anderen „Blickwinkel oder Standpunkt“ aus den Gegenstand der Diskussion betrachten zu lassen. Der andere „will“ gar nicht sehen.

Er beschließt also, sich nur noch mit den Menschen zu beschäftigen, die bereit sind sich offen und auf Augenhöhe zu begegnen und die auch bei konträren Sichtweisen in einem achtungsvollen Austausch miteinander bleiben.

So weit so gut.

Doch dann kommt eines Tages einer daher und will von diesem Menschen wissen, wieso er nichts mehr von sich hören lässt und keine Unterhaltung mehr zustande kam.

Jetzt ist der Mensch erst mal sehr verwundert, und dann fragt er sich wie er nun damit umgehen will. Gar nicht so einfach. Spontan würde er jetzt die Wahrheit sagen, das tut er immer. Doch die Wahrheit würde den Anderen verletzten, befürchtet er, und dass war noch nie sein Ding.

Also – die Wahrheit sagen – aber wie?

Also wenn der Andere so fragt, denkt sich der Mensch, dann will er ja offensichtlich die Wahrheit wissen, oder nicht? Dann kann er auch nicht verletzt werden, wenn die Antwort nicht seinen Erwartungen entspricht. Doch wenn er „Erwartungen“ hat, was erwartet er?

Auch diese Überlegungen bringen den Menschen nicht weiter, und deshalb entscheidet er sich auf die Frage des Anderen ehrlich zu antworten: Es kam zu dieser „Funkstille“ weil ich das so entschieden habe.

Antworten Zuletzt bearbeitet am 08.05.2009 17:53.
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